Konzertbericht: Eivør

09.10.2020 Torshávn (Färöer-Inseln), Nordic House (Stream-Show)

Nachdem EIVØR zu Beginn der Corona-Krise jedes Wochenende live eine Stunde lang aus ihrem Wohnzimmer gestreamt hatte und dabei auf Spenden der Fans gesetzt hatte, sind diese Zeiten inzwischen vorbei und EIVØR ist zu kostenpflichtigen Streams übergegangen. So findet am 09.10.2020 ein „Album-Release-Live-Stream“ aus dem Nordic House in Torshávn statt – eingefangen in High-End-Qualität mit fünf Kameras. Die normale Zugangs-Version zum Stream gibt es für umgerechnet etwa 10 €. Für rund 15 € gibt es zusätzlich exklusiven Zugang zu einem 15-minütigen Pre-Acoustic-Set. Und für etwa 50 € gibt es zusätzlich noch einen fünfminütigen Zoom-Chat mit EIVØR nach dem Auftritt (fünf Minuten einzeln für jeden Fan, der dieses Ticket erworben hat).

Gegen 19:00 Uhr bekommen die Fans, die das Pre-Acoustic-Set mit dazu gebucht haben, Zugang zu einer YouTube-Übertragung, die nicht gelistet ist. Offensichtlich wurde dieses Set vorher aufgezeichnet. Interessant ist, dass die kostenlosen Streams bis zu 2000 Zuschauer hatten, während nun weniger als 200 Fans online dabei sind. Im Video eröffnet derweil eine gut gelaunte Eivør Pálsdóttir den Abend, bewaffnet mit nichts weiter als ihrer Akustikgitarre, im Setting eines Wohn- oder Arbeitszimmers. EIVØR beginnt mit „Mánasegl“, dem ersten Song des gerade erschienenen Albums „Segl“ und gibt dem Zuschauer, wie bei allen anderen Songs auch gleich die Hintergrundgeschichte mit auf den Weg: wann und wo sie den Song geschrieben hat, und manchmal sogar, in welcher Stimmung sie dabei war. Schon in diesem kurzen Set beweist EIVØR, dass sie die geborene Sängerin und Live-Entertainerin ist. Ihre Leidenschaft, die sie in jeden einzelnen Song legt, ist unvergleichlich. EIVØR erzählt, dass es auch für sie selbst ungewohnt ist, die Songs mit so wenig Begleitung zu singen bzw. spielen. Auf dem Album fährt sie ja allerhand Sound-Gimmicks auf. Aber hier im Akustik-Set hören wir die wahre Essenz der Songs, die „nackte Version“, wie EIVØR selbst es nennt. Vor allem im Song „Truth“ kann EIVØR dennoch zeigen, was alles in ihr steckt. Die angesetzten 15 Minuten dehnt sie auf eine halbe Stunde aus – bis das Akustik-Set mit „Verð Mín“ von ihrem Album „Slør“ endet.

Screenshot der Live-Stream-Show, Foto-Credit: Eivør Stream
  1. Mánasegl
  2. Let It Come
  3. Hands
  4. Truth
  5. Verð Mín

Nun gibt es einen Cut und man sieht zusammengeschnittene Backstage-Szenen sowie eine Aufzeichnung von EIVØR, in der sie erklärt, dass sie während des Gigs färöisch sprechen wird, aber dass es Untertitel für die internationalen Zuschauer geben wird – auch diese Show ist also kein Livestream, sondern vorab aufgezeichnet. Zumindest ist die Show aber wohl für die ausgewählten 100 Besucher der Abstandsveranstaltung vor Ort und die Stream-Käufer exklusiv.

Screenshot der Live-Stream-Show, Foto-Credit: Eivør Stream

Auch dieser Auftritt beginnt mit „Mánasegl“, nun allerdings trägt EIVØR eine schillernde Abendrobe und steht allein im Scheinwerfer-Kegel. Nach und nach sieht man auch die Musiker. Trotz der vollen Orchestration braucht dieser Song natürlich eine gewisse Reduzierung in den Instrumenten, damit die Stimme und Gesangsleistung zum Tragen kommen. Auch diesmal schickt sie jedem Lied ein paar Worte zur Entstehung voraus. „Patience“ zum Beispiel war eigentlich überhaupt nicht als Lied mit Bezug zur Corona-Zeit gedacht, passt aber wie die Faust aufs Auge in Bezug auf die Geduld, die sie selbst wiederzufinden versucht und auch allen Zuschauern immer wieder während des Abends wünscht, um die Zeit der Covid-Beschränkungen zu überstehen. EIVØR lässt keinen Zweifel daran, wie sehr sie es vermisst, zu touren und mit ihren Fans nach den Konzerten zu reden.

Screenshot der Live-Stream-Show, Foto-Credit: Eivør Stream

„Salt“ donnert als nächstes durch die Halle, die Qualität in Bild und Ton ist hier wie im Folgenden durchweg hervorragend. Wer diesen Song vom 2015er Album „Slør“ schon einmal live gehört hat, weiß, wie sehr er von den wuchtigen Effekten der Shaman-Drum und den spacigen, fetzigen Geräuschen des Synthezisers lebt. Aufgrund der professionellen Aufnahmequalität kommt die geballte Ladung der Klang-Gewalt sehr gut rüber im Stream. Danach folgt ein ganzer Block mit Songs vom neuen Album „Segl“. Erwähnenswert ist noch, dass EIVØR an diesem Wochenende mit vielen anderen guten Bands konkurrieren muss. Voyager, Rendezvous Point, Leprous und einige mehr streamen ebenfalls, zum Teil interaktiv. Trotz allem ist EIVØR mit umgerechnet rund 10 € für den Basis-Stream noch am günstigsten im Preis-Leistungs-Verhältnis, wenn man die hohen Kosten bedenkt, die ein 5-köpfiges Kamerateam sicherlich verursacht.

Screenshot der Live-Stream-Show, Foto-Credit: Eivør Stream

Nach einer unfassbar intensiven Performance zu „Hands“ ist auch der Song „Stirdur Saknur“ in diesem Block dabei. Auf dem Album gibt es in diesem Track einen Gastauftritt von niemand Geringerem als Einar Selvik von Wardruna. Aber natürlich war es unrealistisch, ihn hier im Stream zu erwarten. So bleibt Raum für EIVØR, ihre eigene abgewandelte Interpretation darzubieten. Mystisch und sphärisch schwebt der Anfang des Liedes durch die Halle und versetzt jeden Hörer in eine andere Welt, bevor er in eine etwas rockigere, fast tanzbare Version übergeht. Noch einmal findet mit „True Love“ ein älterer Song seinen Weg in die Setliste, bevor es mit „Only Love“ von „Segl“ bewegend wird. Hier im Stream präsentiert die Künstlerin eine eher jazzige Version des emotionalen Love-Songs. Im Gegensatz zur Albumversion eignet sich diese hier nicht zum mitweinen, ist aber in der swingigen Version eine gelungene Abwechslung.

Screenshot der Live-Stream-Show, Foto-Credit: Eivør Stream

Nach „This City“ ist es an der Zeit für einen ihrer größten Hits. Wahrscheinlich haben viele Fans ihren Weg zu EIVØR durch „I Tokuni“ oder „Trollabundin“ gefunden, nicht zuletzt durch ein YouTube-Video eines Fans, welches sie in der Natur zeigt mit nichts weiter als ihrer Shaman-Drum, mit der sie die Vorbeilaufenden zum Stehenbleiben und Zuhören bringt. Beide Songs schaffen es natürlich auch heute ins Set. „Gullspunnin“, ein Lied darüber, wie man Frieden in der Einsamkeit finden kann, ist am heutigen Abend der letzte Song vom neuen Album. Der wirklich finale Song ist der Klassiker „Falling Free“, bei welchem EIVØR noch einmal alles an Emotionen rausholt, was möglich ist.

  1. Mánasegl
  2. Let It Come
  3. Patience
  4. Salt
  5. Truth
  6. Sleep On It
  7. Nothing To Fear
  8. Hands
  9. Stirdur Saknur
  10. True Love
  11. Only Love
  12. This City
  13. I Tokuni
  14. Gullspunnin
  15. Trollabundin
  16. Falling Free

So finden anderthalb Stunden High-Class-Musik ihr Ende und man kann nur hoffen, dass möglichst viele unserer großartigen Künstler es durch die widrigen Zeiten schaffen, so dass wir eines Tages wieder in den Genuss von „echten“ Livekonzerten auch internationaler Künstler kommen können.

Screenshot der Live-Stream-Show, Foto-Credit: Eivør Stream

Publiziert am von Uta A. (Gastredakteurin)

2 Kommentare zu “Eivør

  1. Danke. Deine Zusammenfassung ist super geschrieben und dass du an denen Kritik geübt hast, die zuvor for free sich ihre Hauskonzerte angesehen haben aber zu geizig waren eine großartige Show für wenig Geld zu unterstützen finde ich achtungsvoll.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert