Konzertbericht: Eläkeläiset

2009-04-24 Markthalle, Hamburg

Eläkeläiset. Es ist mittlerweile überflüssig zu erwähnen, dass Konzerte dieser versoffenen Truppe, die Pop- Rock- und Metalsongs in finnische Volksmusik umwandeln und dabei die Texte ins Unkenntlichste verzerren, zu den allerschlimmsten Erlebnissen für den ganzen Körper gehören. Wer sich an alles erinnern kann, war nicht dabei. Auch die Kamera gibt schon ganz zu Anfang ihren Geist auf, so dass ihr diesmal nur lesen könnt, was sich an diesem Aprilabend in der Markthalle zuträgt.

Die Schlange vorm Einlass ist kurz vor neun schon immens lang. Trunkenbolde allerorten, eine wahrhaft bunte Mischung Humppa-wütigen Volks am Klosterwall. Einige gar in kurzen Hosen und Jackett, ganz im Stil der Finnen, die sich auch kurz blicken lassen. Drinnen die Ruhe vor dem Sturm. Ich gehe zum Merchandise-Stand, wir sind erstaunt über „Restposten“ und wirklich günstige Preise. Pekka, der Zeichner, steht wie schon vor vier Jahren, meinem letzten Eläkeläiset-Konzert, dort und beglückt die gierige Masse.Glück fließt auch becherweise. Es war im Vorfeld eigentlich verwunderlich, dass die Band tatsächlich die große Markthalle für sich beansprucht, aber jetzt wird deutlich, warum. Es ist voll, sehr voll. Keine fünfzehn Euro hat der Einlass gekostet, das lassen sich viele an diesem Freitagabend nicht nehmen. Eine Vorband war nicht bekannt, und tatsächlich, es gibt auch gar keine. Egal.
Relativ pünktlich geht das Licht aus und „Humppa Telkkariin“ (der „Einzug der Gladiatoren“ auf Humppa) ertönt. Scheinbar in Endlosschleife, die Ungeduld wächst. Und dann bricht das Tanzgewitter los, als die fünf Rentner tatsächlich loslegen. „Humppa Tai Kuole“, Humppa oder Sterben, das ist zweifellos auch heute abend wieder das Motto. Ich lass es ruhig angehen, habe nicht so viel geschlafen vorher und auch nicht allzu viel selbst zu trinken geschafft. Aber im Zentrum der Markthalle poltert es gewaltig, die Massen hüpfen und springen, als wenn es kein Morgen gäbe. Auf der Bühne bleiben die Herren erst einmal gewohnt reserviert, einzig Keyboarder Onni Waris (ungewohnt bärtig) demonstriet immer mal wieder seine Liebe zum Einstrument und spielt mit wechselnden Körperteilen.
Einige großartige Songs später – ich glaube „Sorvarin humppa“ („Ace Of Spades“) war auch schon dabei, und ich stürze mich selbst ins Getümmel. Mit nicht allzu viel Alkohol im Blut ist hohe Konzentration erforderlich, um nicht total niedergemäht zu werden. Aber wer fällt, wird trotz des Massenwahnsinns sofort wieder aufgehoben, so viel Fairness bleibt.Drei, vier Songs, dann ist erstmal Pause, man wird ja auch älter. Mein Kumpel hat sich eine Rippenprellung zugezogen und ist auch erstmal ruhiggestellt. Die Band freut sich, aber dem Gemetzel da unten stehen die Rentner noch vergleichsweise ruhig gegenüber. Selbst scheinen sie diesmal nur Wasser zu trinken, aber wer weiß, was da noch drin ist. Manche lustige halb-deutsche Ansage wird losgelassen, und natürlich gröhlen alle. Egal.Es geht weiter. Die Temperatur steigt ins Unermessliche, natürlich haben die Markthallenleute keine Lüftung eingeschaltet, so verkaufen sich die Getränke ja besser. Die Massen lassen sich auch so nicht lang bitten, und während eine Humppa die nächste Jenkka jagt, Onni mal mit den Füßen, mal dem Kopf und mal dem ganzen Körper, liegend, spielt, nimmt der Irrsinn seinen Lauf. Der dicke Kristian ist sympathisch wie immer, und tatsächlich ist zwischendurch auch mal ein nicht-2/2-Takt zu hören!? Egal.
Nach einiger Zeit gehe ich mal wieder runter in die Hölle. Mittlerweile weiß ich nicht mehr, ob mehr eigener oder mehr Fremdschweiß auf meinem Körper ist. Egal. „Do you want a slow song or do you want a fast song?“ Alle wollen schnell. „Vihaan Humppaa“, den kannte ich noch gar nicht. Erst nach ein paar Tagen fällt mir auf, dass es sich um CoB’s „Hate Me“ handelt. Ich treffe eine Komilitonin, die ich gar nicht da erwartet hätte, ihr gefällt’s. Es ist ein wenig ruhiger im „Moshpit“ geworden, erfreulich, so kann man auch mal herumhüpfen ohne allzu viele blaue Flecke zu sammeln. Kein Wunder, dass manch einer bald erschöpft ist, bei gefühlten 50°C und Humppa, Humppa, Humppa.

Gegen Mitternacht ist dann auch irgendwann Schluss. Ich bin ungefähr tot, aber noch mehr nass. Den Pullover wieder anzuziehen ist obereklig. Ausnahmsweise dusche ich noch am Abend unmittelbar nach dem Konzert. Ich habe tatsächlich immer mal wieder Schmerzen in der Brust. Egal. Das nächste mal Eläkeläiset? Ich bin dabei.

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