Konzertbericht: Jethro Tull w/ Bardic

2011-07-31 Circus Krone, München

Den feinsten Sound Irlands erwartet man wo zuerst? In den malerischen Landschaften von Glendalough? Oder den urigen Pubs im Temple Bar Viertels Dublins? Nein, in Düsseldorf. Eine ungewöhnliche Vorstellung, doch bereits wenige Takte der nordrhein-westfälischen Vorband BARDIC reichten uns, um den gesamten Circus Krone zu überzeugen. Eddie Arndt an der Gitarre und Sarah-Jane Himmelsbach an der Violine lieferten einen beeindruckenden Auftritt, der besonders durch die tiefe, rauchige Stimme von Arndt eine charakteristische Note erhielt. Bei „Leis A Lurrighan“ bezogen die beiden Musiker das ganze Publikum im Refrain mit ein. Eine Leistung, wie es nur wenigen Supportacts in diesem Ausmaß gelingt. Magisch verzaubert wirkten viele Blicke und Minen im weiten Rund. Wenig verwunderlich, dass das Ende nach 35 Minuten mit sehr lautem Beifall quittiert wurde. Besser geht Celtic Folk nicht – selbst für echte Schotten oder Iren.

Etwas wirklich Neues zu berichten gibt es von JETHRO TULL nicht. Doch dadurch heben sich Ian Anderson und seine Band nicht von vielen anderen Kollegen der frühen Progrock-Tage ab. Längst gehört es in der Welt der Rockveteranen zum guten Ton, sich auf den Hits vergangener Zeiten auszuruhen und hin und wieder bestenfalls ein Live-Album bzw. eine Compilation zu veröffentlichen. Oder für paar Abstecher auf das europäische Festland zu kommen.

Dies schmälert allerdings nicht die Verdienste von Jethro Tull. Ende der 60er Jahre begann die Gruppe als Bluesrock-Gespann, was damals vor allem dem Einfluss von Gitarrist Mick Abrahams zuzuschreiben war. Erst nach dessen Ausstieg, konnte Querflötenvirtuose Anderson seine Vorstellungen in die Tat umsetzen – so klingen Jethro Tull auch 2011 live keine Sekunde nach antiquiertem Blues, sondern nach gutem altem Progressive Rock, inspiriert von keltischem Folk, Klassik und leichten Jazz-Avancen. Charakterisch für die Alt-Rocker ist dabei früher wie heute Andersons exzentrisches Querflötenspiel in Verbindung mit seiner Stimme und Mimik. Begleitet wird er dabei bis heute von Gitarrist Martin Barre, der nach Abrahams Ausstieg 1968 dabei ist und sich live genau wie die anderen Musiker betont im Hintergrund hält, wenn Frontmann Ian mit seinem Paradeinstrument am Werk ist. Dies geschah während des rund 90-minütigen Auftritts in der bayerischen Landeshauptstadt oft. Vereinzelt suchte Anderson dabei am Bühnenrand sogar die Nähe der Fans im beinahe ausverkauften Circus Krone. Und besonders bei den letzten Stücken wie „Aqualung“ und „Budapest“ holte er nach den letzten Takten noch einmal alles aus seinem Instrument heraus – ab und an beinahe zu viel. Nicht jedes Ohr scheint für derlei Tonschwankungen in diesen Höhen gemacht. Auch gestaltete sich der Beginn etwas zäh.
Die ersten Stücke waren trotz klangvoller Namen wie „Thick As A Brick“ unglücklich gewählt. Zu sperrig und unharmonisch erschien das Klangbild. So dauerte es eine ganze Weile, bis sich die Stimmung in der Zeltkonstruktion entwickelte. Anderson versuchte sich dabei wahlweise an der Querflöte, Gitarre oder am Mikrofon. Seine Ansagen waren allerdings dank eines ausgeprägten Akzents und spärlicher Sprachqualität kaum verständlich. Bestenfalls erahnen konnte man so seine Meinung zum Klimaschutz, bevor er mit „Farm Of The Freeway“ das erste Ausrufezeichen des Abends setzte.
Im Zugabenblock folgte erwartungsgemäß der größte Jethro Tull-Hit mit „Locomotive Breath“. Da die Zuschauermenge größtenteils aus Altrockern und älteren Semestern bestand, war dies nicht der einzige Song, bei dem bereits während der ersten Takte (und nach dem großen Solofinale des Frontmanns) großer Jubel ausbrach. Anderson nahm dies wiederholt wohlwollend zur Kenntnis, werden doch viele Künstlerkollegen aus seiner Blütezeit heutzutage zu Unrecht auf ihre Hits reduziert.

Gemessen an den beinahe überschwänglichen Reaktionen haben Jethro Tull in München alles richtig gemacht. Allerdings dürften viele der etwas jüngeren Musikliebhaber live zumindest anfangs Eingewöhnungsprobleme haben: Besonders die bekannteren Hits klingen auf der Bühne anders als die Radioversionen und als Nichtfan muss man sich zunächst in den flötenlastigen Progressive Rock im Livegewand reinhören. Wenn dies gelingt, bleibt neben der zunächst fehlenden Eingängigkeit lediglich eine gewisse Eintönigkeit als weiterer Makel. Wer den Jethro Tull-Sound der 70er kennt, wird dies jedoch vielmehr als Vorteil sehen, ist sich die Band im Laufe der vielen Jahre stilistisch wie musikalisch treu geblieben.

Setliste Jethro Tull:
01. Living In The Past
02. Thick As A Brick
03. Up To Me
04. In The Grip Of Stronger Stuff
05. Farm Of The Freeway
06. Cheap Day Return
07. Heavy Horses
08. Hymn 43
09. Bourée
10. Mother Goose
11. My God
12. Budapest
13. Aqualung

14. Locomotive Breath

Publiziert am von und Uschi Joas

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert