Konzertbericht: La Sega Del Canto

2008-03-19 Bayreuth, Das Zentrum

Es gibt so Momente, bei denen man plötzlich das Bewusstsein entwickelt älter geworden zu sein. Ich spreche hier nicht vom Greisenalter, sondern von lächerlichen 20 Jahren, die mein Körper nun auf der Uhr hat. Nichts worüber man viele Worte verlieren müsste und doch war es ein seltsames Gefühl an diesen Mittwoch Abend, das sich aber bald in breites Verwandeln sollte. LA SEGA DEL CANTO, einigen vielleicht noch von ihrer Tour mit Eläkeläiset 2006 bekannt, gaben sich im Foyer des Bayreuther (Jugendkultur-) Zentrums die Ehre und nachdem die sich meine Verwunderung darüber gelegt hat, dass es sich um ein bestuhltes Konzert handelt, ließ ich kurz mal meinen Blick schweifen. Ja, ich hatte den Altersdurchschnitt ganz gut gesenkt. Ehrlich gesagt hätte ich nicht erwartet, dass die verrückten Finnen ein eher älteres Publikum ansprechen würden, aber anscheinend weiß die heutige Jugend nicht mehr, was wirklich gut ist. Am Geld kann es jedenfalls nicht gelegen haben, denn 4€ Eintritt sind ein fairer Preis.

„La Sega Del Canto Band will be on stage in three minutes and a very long second“, da war also das Lebenszeichen der beiden Musiker und Entertainer in Personalunion, wenn auch erstmal nur vom Band. Vielleicht sollte man hier erst einmal erklären, welche Art von Musik LSD Canto, so die „rein zufällig selbst gewählte“ Abkürzung der Gruppe, auf das Publikum loslassen. Einfach gesagt: Ein wilder, fantastischer Ritt auf einer singenden Säge durch die Rock / Pop-Welt, begleitet von Pump-Orgel und Akustikgitarre. Trotzdem – diese Beschreibung kratzt nur an der Oberfläche.

„We are La Sega Del Canto Band from Finland and happy to play here in Austria“ – da war der erste Lacher im Publikum zu hören, ehe der wohl bekannteste Bayreuther, Richard Wagner, nicht zum letzten mal auf die Schippe genommen wurde. Die Drohung anstatt aktueller Musik acht Stunden lang Wagner zu spielen wurde zum Glück nicht in die Tat umgesetzt und so konnte es losgehen. Natürlich ist es beachtenswert, welche (g)eigenartigen Klänge Jouni Salo alias J.J. Calo seiner Säge entlockt (selbstverständlich hat er nach jahrelangem Üben die finnische Meisterschaft im Sägespielen gewonnen), aber das Gesamtkunstwerk, wie die beiden so schön sagen, besteht aus so viel mehr. Das ist auf jeden Fall einmal die grenzenlose Freude der beiden am Musizieren, die vor allem Markus Pulkkinen alias Mr. Pulp an der Gitarre, Pumporgel, Blockflöte, Fußshaker mit mehreren netten Einlagen deutlich macht. Für mich jedenfalls war es ein Wunder, dass von Bühne, Pumporgel und Co. noch alle Teile halbwegs intakt blieben.

Außerdem bemüht man sich möglichst politisch inkorrekt zu bleiben. „Ost-Front“ anstatt „eastern border“? Who cares? Und falls sich Political Incorectness mal nicht anbietet, warum nicht einfach sexistisch? „You can have the CDs for 15€ or 13€ if you have sex with us“. Trotzdem bleibt man immer auf einen angenehmen Niveau, jenseits des Stumpfsinns eines Mario Barths. Hier ist noch das Augenzwinkern zu erkennen, das viele gar nicht mehr sehen oder sehen wollen. Den beiden kann man einfach nichts übel nehmen. Einfach wunderbar! Selbst ein Lied für uns „people under 18“, wie J.J. Calo scherzhaft mit Blick auf unseren Tisch anmerkte, wurde gespielt. „Oravanpesä“ heißt es und dreht sich irgendwie um ein Eichhörnchen, denn netter Weise wurde es gleich synchron übersetzt. Daneben wurde von „O Sole Mio“ über „My Way“ bis hin zu „Final Countdown“ alles geboten, was „Classical Rock Music, Classical Pop Music, Classical Heavy Metal Music und Classical Classical Music“ zu bieten hat.
Wer schafft es schon im März das Publikum „Stille Nacht, Heilige Nacht“ mitsingen zu lassen, auch wenn das Wetter sicher bei vielen schon vorab für die richtige Stimmung gesorgt hat. Erstaunlich wie das sitzende Publikum so hervorragend mit einbezogen wurde und sogar mit Walzertanzen „belohnt“ wurde. Schon beim Konzert als Eläkeläiset-Support lieb gewonnen hab ich die Interpretation von „Singing In The Rain“ – natürlich stilecht mit Regen aus dem Blumensprüher, der zum Vodkasprüher modifiziert wurde. Selbstverständlich, dass das Publikum auch genügend ab bekam.

Man könnte die Liste unendlich lange weiter führen, doch ich möchte es hierbei belassen. LA SEGA DEL CANTO sind eine absolute Kult- und Ausnahmeband. Der Auftritt strotze nur von witzigen, skurrilen Details und lebte von der intimen Atmosphäre im Foyer des Zentrums, dem sogar ein Liedchen gewidmet wurde. Leider muss auch der schönste Auftritt zu Ende gehen und so war es nach einem Set in zwei Teilen mit 15 Minuten Pause nach sehr verdienten zwei, drei oder vielleicht auch fünf Zugaben Zeit zum gehen oder um es mit den Worten der Band zu sagen: „Get Drunk with Jägermeister, Kümmerling, Vodka, Bommerlunder…!“.

Geschrieben am 19. März 2008 von Metal1.info

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