Konzertbericht: Maraton

06.06.2020 Oslo, Oslo Audio (Stream-Show)

Die norwegischen Prog-Metaller von MARATON hatten es nicht leicht, genügend Zuschauer für ihren geplanten Live-Stream zu gewinnen, sollten doch keine Geringeren als die norwegischen SHINING am selben Abend streamen, mit Ihsahn als Gastmusiker.

Nichtsdestotrotz haben MARATON alle Hebel in Bewegung gesetzt, um die Show zu etwas Besonderem zu machen. So haben sie nicht nur die Konzertlocation mit Wänden aus Bildschirmen ausgestattet, um eine möglichst verrückte Kulisse zu haben, sondern haben im Vorfeld auch ihre Fans dazu aufgefordert, Vorschläge für die Reihenfolge der Setlist einzureichen, um sich am Ende für eine davon zu entscheiden.

Leider kommen die Zuschauer hier nicht in den Genuss, vorab ein wenig in den Backstage-Bereich des „Oslo Audio“ reinschnuppern zu können, wie beim Leprous-Stream der Vorwoche. Stattdessen beginnt der Auftritt Punkt 20 Uhr ohne ein „Hallo“, aber dafür mit viel Bühnennebel und sanften Tönen, die sich als Intro zu einem ihrer bekanntesten Songs, „Almost Human“, entpuppen.

Screenshot der Live-Stream-Show, Foto-Credit: Vierlive

Musikalisch sind die Norweger in Topform und man hört nicht den kleinsten Makel beim Spielen/ Singen. Lediglich die Vocals sind etwas zu leise eingestellt im Kontrast zu der Instrumentalkulisse. Vor allem Sänger Fredrik Bergersen Klemp glänzt durch viele emotionale Ausbrüche. Er scheint die Musik und die tiefgründigen Texte über menschliche Sehnsüchte und Abgründe mit jeder Faser seines Körpers zu fühlen und reflektiert sie gekonnt auf der Bühne.

„Altered State“ und „Seismic“, die auch schon bei der vergangenen Tour die Eröffnungstracks waren, folgen. Somit ist die Band routiniert und kann sich bei diesen Songs quasi aufwärmen, bevor es dann mit „Prime“ und „The Manifest Content“ schon eher in Richtung der gesetzteren Tracks geht. Doch danach geht es wirklich ans Eingemachte.

Der hochemotionale Song „Mosaic“ folgt, bei welchem Fredrik schon des öfteren live auf der Bühne geweint hat, weil ihm die Lyrics so nahe gehen. Es wäre der perfekte Genuss gewesen, seine Rührung in Form seiner Mimik zu erleben, aber leider wird dem gesamten Stream hindurch der visuelle Genuss etwas geschmälert, weil der Bühnennebel einfach zu dicht ist.

Screenshot der Live-Stream-Show, Foto-Credit: Vierlive

Offenbar ist dies auf der kleinen Bühnenfläche und durch die Bildschirmübertragung noch störender als in  einer „echten“ Live-Umgebung, in der sich der Nebel verflüchtigen kann. Auch ist die Übertragung zu pixelig und die Fans können während des Streams die Auflösung nicht hochsetzen. Schade. Noch dazu kommt, dass MARATON nicht wirklich viel mit der Kamera, die ja hier als Kanal zu den Zuschauern dient, interagieren. Vielleicht liegt dies auch an der Kameraarbeit. Vielleicht wollte die Band den Fokus auf die Showeffekte legen, wie zum Beispiel die Bildschirme im Hintergrund, die wirklich so krasse Lichteffekte ausstrahlen, dass die Band im Vorfeld des Streams eine Warnung an Epileptiker ausgeben musste.

Da MARATON bei der letzten Europa-Tour für Leprous eröffnet hatten, haben sich alle Bandmitglieder von Leprous Tickets für den Stream gekauft und unterhalten im Chatfenster des Streams die Fans zusätzlich mit einigen lustigen Kommentaren. Doch wer sich auf die Musik konzentrieren möchte, kann das Chat-Fenster einfach ausblenden. Einige Fans hoffen natürlich auch, dass Fredrik von MARATON ein Leprous-Cover zum Besten geben wird, da er selbst Leprous-Fan ist und bereits in einem früheren Wohnzimmer-Stream „Below“ gecovert hatte. Leider wird dieser Wunsch heute nicht erfüllt.

Screenshot der Live-Stream-Show, Foto-Credit: Vierlive

Stattdessen holt die Band danach nochmals richtig zum Rundumschlag aus, indem sie ihre energiegelandensten Songs hintereinander weg spielen: „Fringe Logic“, gefolgt von „Body Double“, welches davon handelt, seinen inneren bösen Zwilling zu besiegen, das lyrische Schwergwicht „Change Of Skin“ und „Blood Music“ sorgen nochmals für reichlich Action auf der Bühne.

Traditionell beendet die Band ihren Gig mit „Spectral Friends“, dem Song, der zur Hymne ihrer Fans geworden ist, und nach welchem auch ihr Fanclub benannt ist. Sie lassen sich nicht lumpen und legen ein letztes Mal ihre gesamte Energie in die Performance. Zugaben gibt es leider nicht, obwohl die virtuellen Rufe danach nicht abebben. Und so haben sie gerade mal eine Stunde gespielt.

Aber gut, als Support-Act von Leprous hatten sie nur Zeit für sechs Songs. Es wird Zeit, dass MARATON in die Headliner-Position aufsteigen, das Potential dazu haben sie allemal.

>> Hier geht es zu Maraton: Livestream fra Oslo Audio

Publiziert am von Uta A. (Gastredakteurin)

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