Konzertbericht: Peter Gabriel and the New Blood Orchestra

2012-05-02 München, Olympiahalle

Ein denkwürdiges Event, das an diesem 02. Mai seinen Weg endlich auch in die Münchner Olympiahalle findet. PETER GABRIEL mit seinem New Blood Orchestra verspricht ein Event der Extraklasse. Keine oftmals halbgaren Vermengungen von Rockmusik mit klassischen Elementen, hier gibt es einzig und allein das Orchester, Gabriels Stimme, zwei Sängerinnen und einen Flügel zu hören. Die einzige Furcht, die man im Vorhinein wohl haben konnte, war, dass das Gesamtkonzept vielleicht etwas zu leichtverdaulich und einschläfernd wirken könnte.

Davon kann dann aber keine Rede sein, als der Meister, nachdem eine der beiden Sängerinnen nach zwei eher unspektakulären Songs, von Flügel bzw. Akustikgitarre begleitet, die Bühne verlassen hat. Schon das beeindruckende Bowie-Cover „Heroes“ stellt die Weichen für den Großteil des Abends: Unkonventionelle Umsetzungen der Originale, die nicht nur schnöde umarrangiert wurden, hier wird grundlegend neu interpretiert, sodass die Bezeichnung „Orchester-Version“ für die Songs ein absoluter Frevel wäre. Die Bedrohlichkeit, die Dramatik und die Emotionalität, die die Instrumente in ihrem Zusammenspiel erreichen, ist mit Rockinstrumentarium kaum umzusetzen. Durch die große Eigenständigkeit der Songs ist es auch gar nicht störend, wenn man kein ausgewiesener Gabriel-Experte ist, im Gegenteil kann man die Nummern so vermutlich viel unvorbelasteter angehen.
Neben den großartigen Spannungskurven der Songs ist es dennoch vor allem die Stimme des früheren Genesis-Sängers, die gehörig Eindruck macht. In Würde gealtert singt der alte weise Mann der Rockmusik nicht mehr so exaltiert wie einst, die stimmliche Reichweite bleibt aber dennoch groß und die Erhabenheit der Melodien äußert sich durch die neue, weiche Klangfarbe nicht weniger bemerkenswert als früher. Zusammen mit den beiden ebenfalls sehr facettenreichen weiblichen Stimmen ergibt sich ein gesangliches Gesamtprodukt, das sich mit würdig mit den Orchester-Klängen, die häufig an Filmmusik erinnern, ergänzt.

Einziges Manko dürfte an dieser unglaublich kompetenten, professionellen Performance wohl die Auswahl einiger langsamerer, entspannter Songs sein, die im Vergleich zum – immer geschmackvollen – pompösen Charakter vieler anderer Nummern schlicht unspektakulär wirken. Das Ende der ersten Hälfte des Sets lässt die Stimmung somit ein wenig abebben, wodurch der vermutlich genialste Pop-Prog-Song genau die richtige Wahl ist, um wieder auf den Damm zu kommen: „Solsbury Hill“. Die Initialzündung der Gabriel-Solokarriere, ist, obgleich vergleichsweise wenig verändert, für das gesamte Publikum der Höhepunkt des Abends. Und es ist schön zu sehen, das ein großer Teil der bisher gut sitzenden Zuschauer den Song zum Anlass nimmt, sich ausgelassen klatschend in die vorderen Reihen zu begeben. Dass dem Track auch auf der Bühne besondere Bedeutung beigemessen wird, zeigt sich spätestens, als sich das gesamte Orchester zur abschließenden Hauptmelodie ebenfalls von den Sitzen erhebt, näher zusammenrückt und das Finale in einer triumphalen Steigerung zelebriert – Ein würdiger Abschluss für den Konzertabend, sollte man meinen, doch tatsächlich fängt der Meister erst jetzt an, die Hits am Laufband zu präsentieren. Dass die Ansagen dabei ausschließlich in gutem Deutsch erfolgen und sich auch mal Zeit findet, den Hintergrund eines Songs ausführlicher zu erläutern, garantiert dem ohnehin sympathischen Frontman weitere Pluspunkte.

Ebenfalls nicht unerwähnt bleiben darf die edle, aber im Vergleich zu früheren Shows eher nüchterne Lightshow, die das Bühnengeschehen immer treffend untermalt. Dabei kommt man gänzlich ohne Spezialeffekte aus (mit Ausnahme des absenkbaren und wahlweise transparenten Lichtaufbaus, der aber für Produktionen dieser Art nicht wirklich überraschend wirkt). Dass man auch mit dezenten Mitteln großen Effekt erzielen kann, wenn entsprechend kreativ gearbeitet wird, können sich andere Acts direkt hinter die Ohren schreiben.

Als das Ende der Show mit dem spektakulären „Don’t Give Up“, bei dem der Dirigent als Publikumsanimator fungiert, und dem Rausschmeißer „The Nest That Sailed The Sky“ schließlich doch erreicht ist, kann man Gabriel schlussendlich nicht einmal böse sein, dass der Übersong „Here Comes The Flood“ auch in München seinen Weg nicht in die Setlist fand. Dafür verlangte das bisweilen annähernd expressionistisch klingende Orchester dem Hörer doch zu viel ab. Vorbehalte, die man ob des Preises gehegt haben mag (in den billigeren Kategorien um die 55€), erwiesen sich mal wieder als unbegründet. Die alte Garde weiß auch im Falle PETER GABRIELs genau, was sie tut, da ist lieber ein bisschen mehr Geld einmal in ein Konzert investiert, das im Gedächtnis bleibt, als ein bisschen weniger Geld in viele Konzerte zu stecken, die schlussendlich zum einen Ohr rein und zum anderen raus gehen.

Setlist:
01. „Heroes“
02. Wallflower
03. Après Moi
04. Intruder
05. San Jacinto
06. Secret World
07. Father, Son
08. Signal to Noise
09. Downside Up
10. Digging in the Dirt
11. Mercy Street
12. The Rhythm of the Heat
13. Red Rain
14. Solsbury Hill
15. Biko
16. In Your Eyes
17. Don’t Give Up
18. The Nest That Sailed the Sky

Publiziert am von Marius Mutz

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