Konzertbericht: Queens Of The Stone Age

2005-06-10 Berlin, Columbiahalle

Na los, Hände hoch, wer unter euch kennt die SIN CITY CIRCUS LADIES? Hm, wirklich niemand? Na ja, ich kann’s verstehen, schließlich war mir die Band bisher auch kein Begriff. Höchstens Insider der Berliner Musikszene oder aber Hardcore-Oliveri-Fans dürften das Quintett als THE DWARVES-Support kennen.
Was haben THE DWARVES nun wieder mit den QUEENS OF THE STONE AGE zu tun? Nun, Ausnahme-Bassist Nick Oliveri zupfte bei denen eine zeitlang vor seinem QOTSA-Engagement. Apropos Oliveri, der war erwartungsgemäß nicht da, obwohl er und Josh Homme sich ja scheinbar wieder vor einiger Zeit ausgesöhnt haben. Sei’s drum, anstelle des Exhibitionisten waren circa 3500 begeisterte Zuschauer in der beinahe ausverkauften Columbiahalle. Und die Sin City Circus Ladies eben.
Die rockten gleich mal gut los, auch wenn ihre Erscheinung ein wenig ungewöhnlich war. Schlagzeuger, Gitarrist, Kontrabassist und zwei vermutlich weibliche Gestalten, die abwechselnd den Gesang übernahmen, kamen im schrillen Outfit (vor allem die 2 Frauen) auf die Bühne. Wobei ich mir ziemlich sicher bin, dass die etwas voluminösere von beiden ein Transvestit war, aber ist ja auch egal. Die Fünf spielten unterhaltsamen lockeren Rock’n’roll mit einer Prise Sleaze.
Das Publikum lies sich (bis auf wenige Ausnahmen trotz) der tanzbaren Musik noch nicht zum Bewegen animieren. Die Ansagen machte die Band übrigens auf Englisch, die meisten Mitglieder kommen von überall (vornehmlich aus den USA) her, nur eben nicht aus Berlin. Als Einziger verabschiedete sich der Drummer zum Schluss auf Deutsch. Die kuriose Gruppe erhielt insgesamt viel Beifall.

Weiter ging’s mit den EAGLES OF DEATH METAL, dem Nebenprojekt von Josh Homme. Doch statt Homme saß Samantha Maloney (Ex-HOLE, Ex-MÖTLEY CRÜE) am Drumkit. Sänger und Spaßvogel Jesse „The Devil“ Hughes scheint direkt der Schwulenbewegung der 80er entsprungen zu sein, der Schnauzer und die zeittypische Ami-Bullen-Sonnenbrille waren jedenfalls genauso stilecht wie die enge Jeans und das enge Hemd. Fehlte eigentlich nur noch der Bauarbeiterhelm zum vollständigen VILLAGE PEOPLE-Look.
So machte Hughes die ganze Zeit einen auf lustige Tunte, nebenbei schleimte er sich bei den Berlinern ein („You are the greatest crowd…“) und erwähnte nach jedem Song ihren Bandnamen, damit es auch gar niemand vergisst. Das nervige „Give it up, Ladies! “ und danach „Give it up for Rock’n’roll“-Spiel wurde leider bis zum Erbrechen wiederholt. Das Publikum ging zumindest in der vorderen Hälfte schon sehr gut mit und man merkte, dass die Band viele Fans (75% von denen höchstwahrscheinlich nur wegen Hommes Mitarbeit) dabei hatte.
Musikalisch gesehen sind sie bei weitem nicht so spektakulär wie die Begeisterung ihrer Anhänger für sie glauben machen könnte. Erdiger Rock mit vielen coolen Hooklines, recht eingängig, ohne viel Anspruch, aber eben effektiv und für eine Vorband genau das Richtige um der Masse einzuheizen. Ach ja, ordentlich Gepose mit den Instrumenten musste natürlich auch noch sein. So wurde die Stimmung immer besser und die Königinnen der Steinzeit konnten kommen!

Hinter der Bühne stimmten schon mal die heruntergelassenen Banner, die einen mysteriösen schwarz weißen Wald zeigten (passend zur aktuellen CD eben), auf den Höhepunkt des Abends ein. Vorab möchte ich nun noch kurz erwähnen, dass ich zwar alle QOTSA-Platten besitze, aber vor dem Konzert noch nicht wirklich ein großer Fan der Band war. Ich mochte sie zwar, aber den allgemeinen Hype von Fachpresse und Anhängern konnte ich nicht ganz nachvollziehen.
Irgendwann nach der Umbauphase war es jedenfalls soweit und Josh Homme betrat samt Troy Van Leeuwen (Gitarre, Ex-A PERFECT CIRCLE), Dan Druff (Bass, Ex-MONSTER MAGNET) und Joey Castillo (Schlagzeug) unter frenetischem Jubel die Bühne.Los ging das nun folgende Spektakel mit „Regular John“ vom ersten Album. Die Halle verwandelte sich in einen Hexenkessel! Ein einziges Menschenknäuel bewegte sich auf und ab, pogte, tanzte und hatte sichtlich seinen Spaß!
Homme, der wahrlich nicht der typische Ami-Entertainer ist, schaffte es zusammen mit seinen Mitmusikern eine fast schon lebensbedrohliche Energie aus den Fans herauszukitzeln. Ohne Verschnaufpause machte das spielfreudige Quartett (von Zeit zu Zeit mit einer zusätzlichen Keyboarderin ergänzt) eine Reise durch ihre gesamte Diskografie. Hits en masse wie z.B. „Feel Good Hit Of The Summer“ brachten das Fass zum Überlaufen. Es wurde alles was das Fanherz begehrte gespielt. „The Lost Art Of Keeping A Secret“, „Little Sister“, „You Think I Ain’t Worth A Dollar, But I Feel Like A Millionaire“, „You Would Know“, „A Song For The Dead“, „In My Head“, „The Sky Is Fallin’“, „Go With The Flow“ und und und. Einzig „First It Giveth“ hat die Band wohl ausgelassen, kann aber auch sein, dass ich den bei der Fülle an Klasse Songs vergessen habe. Es dürften ungefähr 25 Songs gewesen sein, die die vier zelebrierten.
Jawohl, zelebrierten. Denn in der Ausführung ihres Song-Materials zeigt sich unter anderem was die Band von gewöhnlichen Mainstream Rock Acts unterscheidet:Fast alle Songs werden variiert, um Soli erweitert, Pausen eingeschoben und mit Jam-Passagen spontan ausgebaut. Ein langweilig heruntergespieltes 1:1-Set der Albenversionen gibt es hier nicht. Die musikalische Umsetzung ist hervorragend!
Erst recht wenn man bedenkt wie verrückt man wohl sein muss, um seinen größten Hit, namentlich „No One Knows“, im ersten Zugabenblock so abzuändern, dass das Publikum fast paralysiert dasteht. Erstaunt und verwirrt darüber, den Song zwar noch zu erkennen (auch dank des Textes natürlich) aber trotzdem nicht wie gewohnt den Laden auseinander nehmen zu können, so kann man den Zustand beschreiben. Diese Courage Herr über die eigene Musik zu sein und selbst die Bandkollegen aufgrund der scheinbar überraschenden Variation des Songs teilweise ein wenig zweifelnd dreinblicken zu lassen, das ist es was das Phänomen und die Klasse eines Josh Homme und seiner Band Queens Of The Stone Age ausmacht. Doch „No One Knows“ blieb nicht das experimentelle Versatzstück, zum Ende hin ließ man es doch krachen! Die Wirkung dieser wiederum überraschenden Wendung hätte wohl selbst nicht von der Reaktion der Leute auf das Original übertroffen werden können. Grandios! Und abermals war die Masse eine einzige tanzende Welle!
Wo wir schon bei Mut wären. Welche normale Rockband würde das 7-minutenlange „Someone’s In The Wolf“ spielen, welches mythisch scheinbar vor sich hin plätschert, um am Ende in einer psychotischen Steigerung aufzugehen?Zudem spielen die wenigsten Großverdiener mehr als 90 Minuten inkl. eines Zugabenblocks. Die Queens spielen ca. zwei Stunden und zwei Zugabenblöcke mit freier Auswahl zum Ende hin („Any requests?“).
Homme ist beliebt und das neben seinem musikalischen Talent auch aufgrund seiner zurückhaltenden, bescheidenden Art auf der Bühne. Im Gegensatz zu anderen Frontmännern bleibt er auf gesunder Distanz zum Publikum. Keine langatmigen Ansagen, bei denen ein „Shut up and play!“ nötig wird. Er rockt drauf los und zaubert auf seiner Gitarre. Kein unnötiges und peinliches Rumgepose, keine altbekannten und abgenutzten Pyro-Effekte oder sonstige Showeinlagen. Konzentration auf die Musik – dieses Konzept geht definitiv auf!

Die alteingesessenen QOTSA-Fans mögen das neue Album so viel kritisieren so viel sie wollen, meiner Meinung nach kommt sowohl die Scheibe als auch die Live-Darbietung ohne Exzentriker Oliveri aus. Natürlich ist das Ansichtssache, vor allem habe ich keine Vergleichsmöglichkeit auf konzerttechnischer Ebene.
Trotzdem war der Abend ein Erlebnis! Die Queens sind live vor eigenem Publikum eine Macht! Wer was anderes behauptet möge sich vom Gegenteil überzeugen und den Mythos QOTSA verstehen lernen!

Setlist:
01. Regular John
02. Feel Good Hit Of The Summer
03. The Lost Art Of Keeping A Secret
04. You Would Know
05. Avon
06. The Sky Is Fallin‘
07. Leg Of Lamb
08. Broken Box
09. In My Head
10. The Blood Is Love
11. Little Sister
12. Burn The Witch
13. Tangled Up In The Plaid
14. Medication
15. A Song For The Deaf
16. You Can’t Quit Me Baby
17. Go With The Flow
18. A Song For The Dead
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19. Long Slow Goodbye
20. No One Knows
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21. Someone’s In The Wolf
22. Monsters In The Parasol
23. Mexicola

Geschrieben am 10. Juni 2005 von Metal1.info

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