Konzertbericht: Rock Meets Classic

12.01.2012 Olympiahalle, München

Vollmundig bis großspurig lasen sich die Ankündigungen zu ROCK MEETS CLASSIC 2012 in der Münchner Olympiahalle. „Fünf Legenden der Rockmusik“ spielen die „größten Hits der Rockgeschichte“ in einem „unvergesslichen Konzerterlebnis“. Die Erwartungen wurden also bereits im Vorfeld extrem hoch angesetzt, noch bevor Jimi Jamison (Survivor), Robin Beck, Chris Thompson (Manfred Mann’s Earth Band), Steve Lukather (Toto) und Ian Gillan (Deep Purple) einen Schritt in die bayerische Landeshauptstadt gesetzt hatten. Um es vorwegzunehmen: Die Erwartungen konnten größtenteils erfüllt werden, was u.a. am hervorragenden Bohemian Symphony Orchestra Prague unter der Leitung von Bernard Fabulja lag. Klassisch arrangiert und rockig präsentiert litt der Abend (ebenso wie manche Künstler) nur an kleinen Schönheitsfehlern.

Die Atmosphäre mit klassischem Chor, Orchester und etwas in die Jahren gekommenen Musikern erinnerte an eine Light Version der alljährlichen Nokia Night of the Proms. Dies ist keinesfalls despektierlich gemeint, denn die Präsentation der Altrocker auf der voluminösen Bühne vermittelte eben mehr als nur ein einfaches Konzert. Die Eröffnung übernahm Antenne Bayern Moderator Stefan Leikermoser, der lediglich auf seine unlustigen Gags hätte verzichten können. Ansonsten wurden die Künstler von Gitarrero Matt Sinner angekündigt, der sich den gesamten Abend über mit sich selbst nicht auf einen einheitlichen Tenor einigen konnte. So wirkte er teils unterkühlt und manchmal euphorisch. Nun aber zur eigentlichen Show:

Mit einem klassischen Streicherintro wird die Aufmerksamkeit der inzwischen gut gefüllten Halle erstmals auf die Bühne gelenkt, bevor die Klassik fließend in den Rock übergeht und Musicalsänger Sascha Krebs mit Van Halens „Jump“ den Weg für die Stars von gestern ebnet.

Den prominenten Anfang macht der ehemalige (und jetzt wieder) Frontmann von Survivor, Jimi Jamison. Besucher des letztjährigen Masters of Rockantenne dürfte Böses geschwant haben, als der Sänger die Bühne betritt. Doch im Vergleich zu Augsburg 2011 überzeugt Jamison bei Rock Meets Classic auf ganzer Linie. Mit „Burning Heart“ folgt der notwendige Hit-Einstieg in den Abend, bevor der Auftritt schließlich – genau wie Rocky III – unvermeidlich in „Eye Of The Tiger“ gipfelt. Agil und stimmgewaltig unternimmt Jamison sogar einen ausführlichen Rundgang durch die bestuhlte Arena, so dass am Ende bestenfalls die Baywatch-Hymne „I’ll Be There“ in der Songauswahl fehlt. Die Menge ließ sich dennoch mitreißen und so kann die angekündigte Survivor-Reuniontour 2012 durchaus kommen.

01. Burning Heart
02. Didn’t Know It Was Love
03. The Search Is Over
04. I Can’t Hold Back
05. Eye Of The Tiger

Robin Beck – wer? Während zumindest die Damen und Herren mittleren Alters mit Namen wie Jimi Jamison oder Steve Lukather vertraut sind, wirft der Name Robin Beck doch eher Fragezeichen auf, hatte die Dame in Deutschland doch genau einen nennenswerten Erfolg. Und dieser liegt über 20 Jahre zurück. Folglich blickt man im weiten Rund größtenteils in fragende Gesichter, als die kleine Rockröhre überkandidelt die für sie viel zu große Bühne betritt und mit dem unbekannten „Hide Your Heart“ ihren Gastauftritt startet. Mag die Dame optisch in die Jahre gekommen sein, so gibt ihre Stimme immer noch genügend Power her, um zumindest bei „First Time“ vollends zu überzeugen. Genau bei diesem Song erlöschen auch die Fragezeichen in den Augen der Besucher, denn die Coca Cola-Werbemelodie der späten 80er wird heute noch gerne im Radio gespielt und zumindest der Titel ist den meisten ein Begriff. Wenn schon nicht Robin Beck.

01. Hide Your Heart
02. Tears In The Rain
03. First Time

Wäre Chris Thompson einfach im Publikum gesessen, er wäre wohl keinem wirklich aufgefallen. Optisch erinnert der ehemalige Sänger von Manfred Mann’s Earth Band eher an seinen Versicherungsmakler oder Beamten. Auf der Bühne hingegen ist der unscheinbare Brite immer noch eine Institution und beweist, warum er sowohl in Fach- als auch Fankreisen stets als DIE Stimme von Manfred Mann’s Earth Band gesehen wird. Alle vier Songs sind bekannte Gassenhauer und zünden auf Anhieb. Die große Rockbühne der Olympiahalle erscheint auch deutlich angemessener für die Rockhits (im wahrsten Sinne des Wortes) als die Muffathalle, in der Manfred Mann’s Earth Band in anderer Besetzung im Dezember zu Gast waren. Mit Thompson erklingen die Gitarren erstmals prägnant lauter und präsenter als das Orchester, was die jeweiligen Musiker auch geschickt zur Selbstinszenierung an der Seite des Sängers nutzen. Fast ohne Klassik singt auch das Münchner Publikum zum ersten Mal fast geschlossen mit, zumindest in den Refrains.

01. The Voice
02. Davey’s On The Road Again
03. Blinded By The Light
04. Mighty Quinn

Nach einer rund 20-minütigen Pause trat Stefan Leikermoser erneut vor die Menge und fügte eindeutig zweideutig an, dass Mitsingen, Tanzen, Stampfen, etc. bei dieser Veranstaltung ausdrücklich erwünscht sei. So ganz schien die Stimmung in München den Erwartungen also nicht gerecht zu werden, obwohl die Veranstaltung in der bayerischen Landeshauptstadt zu den bestbesuchten Shows der Konzertreihe zählte. Jedenfalls wurde das bayerische Publikum bei den beiden folgenden Künstlern merklich lauter.

War beim letzten Rock Meets Classic 2010 noch Bobby Kimball von Toto das heimliche Highlight in der Philharmonie, so durfte sich anno 2012 Gitarrist Steve Lukather als „Semi-Headliner“ versuchen. Sind seine Gitarrensoli vor und während der fünf Songs noch eine Klasse für sich, benötigt der leidlich gute Sänger besonders bei den hohen Tönen von „Rosanna“ und „Hold The Line“ die Unterstützung verschiedener männlicher und weiblicher Chormitglieder. Einer davon ist Ralph Schepers, den die meisten Metalhörer wohl eher als Primal Fear-Frontmann kennen. Hier überzeugt er aber auch bei den sanften Tönen von „Rosanna“ an der Seite der Rocklegende. Das Beatles-Cover „While My Guitar Gently Weeps“ sowie das weniger anspruchsvolle „I’ll Be Over You“ meistert Lukather stimmlich alleine, doch u.a. aus diesem Grund verblassen diese beiden Stücke etwas. Selbst seine famosesten Gitarrenparts brauchen weitere Zutaten, um zum vollen Ausdruck zu reifen. Das Orchester alleine schafft dies leider nicht.

01. Rosanna
02. While My Guitar Gently Weeps
03. Africa
04. I’ll Be Over You
05. Hold The Line

Der Headliner des Abends kam schließlich in verwaschenen Jeans und T-Shirt. Sein Name: Ian Gillan. Seine Funktion: Sänger von Deep Purple. Natürlich könnte hier nun ein Abriss über seine musikalische Vita stehen, doch was zählt, ist die Gegenwart – und trotz fragwürdiger Garderobe rotzt, rockt und schmettert Gillanz als beinahe unscheinbare Person von nebenan noch alle Hits wie in guten alten Zeiten. Es beeindruckt nachhaltig wie der schmächtige Mann mit beinahe 70 Jahren noch einen Rock aus seiner Stimme holt, der viele jüngere Frontmänner das Wasser in die Augen treiben würde. Dass manche Songs „Perfect Strangers“ in der Rock Meets Classic-Version gespielt werden, ist mehr als nur eine Randnotiz. Dirigent Bernhard Fabuljan holt mit wilden Bewegungen noch einmal alles aus seinen Musikern heraus und die Symbiose aus Rock und Klassik erlebt besonders bei diesem Stück ihren Höhepunkt. Im Rahmen von „When A Blind Man Cries“ und „Woman From Tokyo“ dürfen auch die Rock Meets Classic-Gitarristen noch einmal alles aus ihren Instrumenten herauskitzeln und verkünsteln sich in den abenteuerlichsten Riffs. Schnell vergessen der eher zähe Auftakt mit „Highway Star“, welches im Original nicht einmal von Gillan gesungen wurde, und dem überflüssigen „Knocking At Your Backdoor“. Am Ende füllt sich die Bühne noch einmal zusehends mit allen Beteiligten des Abends und zusammen wird vor einer komplett stehenden Olympiahalle „Smoke On The Water“ zu neuem Leben verholfen. Selten machte dieser Klassiker mehr Laune und rundete damit einen insgesamt gelungenen Abend perfekt ab.

01. Highway Star
02. Knocking At Your Backdoor
03. Perfect Strangers
04. When A Blind Man Cries
05. Woman From Tokyo
06. Hush

07. Smoke On The Water

Publiziert am von und Uschi Joas

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