Konzertbericht: Sóley

09.11.2021 München, Ampere

2021 ist bald vorüber und zumindest eines lässt sich bereits sagen: Ein viel besseres Konzertjahr als 2020 ist es dann doch nicht geworden. Doch es gibt auch schwache Signale der Hoffnung. Während die ersten großen Touren für 2022 bereits wieder abgesagt werden, schlägt sich eine junge Isländerin mit ihrer Band durch Europa, um für Menschen Musik zu machen. Vielleicht sogar, um ihnen Mut zu machen. Wobei das mit einem düsteren Album wie „Mother Melancholia“ im Gepäck zunächst wie ein Widerspruch wirkt.

Und doch: Auf und vor der Bühne des heute teilbestuhlten Ampere herrscht eine ganz besondere Atmosphäre, als SÓLEY um kurz nach acht mit „Fantasía“ ihren Auftritt beginnen: Vielleicht nicht eben Euphorie, in Anbetracht der „sonderbaren Zeiten, in denen wir leben“, wie die zierliche Sängerin es ausdrückt. Aber doch: Dankbarkeit. Dass diese Show überhaupt stattfindet. Dass man also wieder auftreten kann. Dass man wieder Livemusik hören und dabei auf andere Gedanken kommen kann. Gerade letzteres fällt bei SÓLEY leicht: Während ihre Songs und „Soundscapes“ wahrlich zum Träumen verleiten, bringt ihr feinsinniger Humor in den Ansagen das Publikum immer wieder zum Schmunzeln – so düster Stücke wie „Hysteria“ auch sein mögen.

SOLEY 2021 in München
SOLEY 2021 in München

Überhaupt spricht SÓLEY gerne, bezieht das Publikum mit kleinen Geschichten und Gags in ihre Show ein: Mal erklärt sie ihre Faszination für Hexen oder als solche verrufenen Frauen, denen sie mehr als nur ein Lied gewidmet hat („Circles“, „Hysteria“). An anderer Stelle gesteht die Isländerin dem Publikum mit verschmitztem Lächeln ihre Liebe zu Jim Jarmush (insbesondere dessen Film „Mystery Train“) und David Lynch (insbesondere dessen Youtube-Format „Weather Report“).

Dass der melancholische Sound zwischen Eivør, Blueneck und Birds Of Passage zumindest in München ein vergleichsweise bideres Feuilleton-Publikum anzieht, wird spätestens klar, als SÓLEY eine humorige Tour-Anekdote, die für die ganze Band in einer Besenkammer statt Backstage endete, als „Spinal-Tap-Moment“ bezeichnet – und allenfalls eine Handvoll der rund 100 Gäste lachen. Immerhin, das sei im Gegenzug erwähnt, weiß sich das Publikum zu benehmen: Von einigen unverbesserlichen Handy-Fotografen und Bier-während-der-Show-Käufern abgesehen, herrscht im Ampere andächtige Stille. Das ist auch notwendig: Nur von sanftem Drumming, weichem Bass und wahlweise Piano, Geige oder aetherischen Soundscapes untermalt, tastet sich die hauchzarte Stimme der ehemaligen Seabear-Gitarristin so behutsam an der minimalistischen Instrumentierung entlang, dass man fürchtet, das kleinste Störgeräusch könnte sie bereits verschrecken und den Zauber dieser Show abrupt beenden.

Derart in Trance gespielt, vergeht die Zeit so schnell, dass das Ende der Show nach „Desert“ tatsächlich viel zu früh zu kommen scheint – daran ändert auch nichts, dass SÓLEY nochmal für die Zugabe „Krómantík“ zurückkommen und der Auftritt damit insgesamt gute 70 Minuten gedauert hat.

Mit „Mother Melancholia“ hat SÓLEY ein schwermütiges, zugleich aber doch lichtdurchflutetes Album erschaffen. Noch mehr Respekt verdient aber die Live-Umsetzung: Hier gelingt es der Isländerin spielend, gleichzeitig zu reproduzieren und zu inszenieren, und den Stücken so erst so richtig Leben einzuhauchen. 2021 war kein gutes Konzertjahr – aber auch im besten wäre dieser Auftritt ein Highlight gewesen.

  1. Fantasía
  2. Stofuvals
  3. Sun Is Going Down
  4. Kill The Clown
  5. One Eyed Lady
  6. Circles
  7. Blows Up
  8. Hysteria
  9. In Heaven
  10. Parasite
  11. Sunrise
  12. Desert
  13. Krómantík
SOLEY 2021 in München
SOLEY 2021 in München

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