Konzertbericht: The Kilimanjaro Darkjazz Ensemble w/ Joe Lally

2010-11-10 München, Feierwerk, Hansa 39

Es geht mal wieder heiß her im Feierwerk, was experimentelle Musik angeht und so fand sich am 10.11.10 das KILIMANJARO DARKJAZZ ENSEMBLE in der Münchner Location ein. Der Abendkassenpreis von 16€ hält zwar definitiv keine Besucher ab, dennoch fanden sich an diesem Abend kaum mehr als 40 Fans im Hansa 39 ein.

Auch ich schaffe es erst verspätet zum Konzert, so dass mir gute 35 Minuten der Vorband Joe Lallys, der früher bei Fugazi aktiv war, entgehen. Das macht aber nichts, denn das mit Gitarre, Bass und Schlagzeug relativ spartanisch instrumentierte Trio trifft an diesem Abend nicht direkt den Nerv dessen, was man sich von einer Vorband des Ensembles wohl erwarten würde. Zumeist gibt es relativ kräftige Basslinien zu hören, über die die Gitarre schräge Fills einwirft, selten auch mal Melodien, öfter Experimentelles. Das ist erstmal gar nicht so falsch, wohlwollend ließe sich diese Musik mit den Instrumental-Jams King Crimson aus „Islands“-Zeiten vergleichen, Gitarre und Bass erinnern in ihrer Schrägheit zum Teil an das Saiten-Duo Fripp / Burrell. Qualitativ muss hier leider merklich differenziert werden, King Crimson gehen zum einen nämlich deutlich inspirierter zu Werke, zum anderen improvisieren diese tatsächlich, während die entsprechenden Momente auf Joe Lallys Seite konzipiert sind und sich wiederholen, was der Angelegenheit ein wenig die Aussage nimmt, die wohl beabsichtigt war.
Dennoch ist das eigentliche Problem dieser Truppe ein anderes und das ist Joe Lally himself. Nicht seine Basslinien, sondern sein Gesang ist, was die Show insgesamt leider ungenießbar macht. Monoton und vollkommen ausdruckslos intoniert der Mann Melodien, die aufgrund ihrer völligen Abwesenheit von Emotion und Inspiration oftmals gar nicht richtig als solche erkennbar sind. Sollte einschläfernde Wirkung die Intention sein, die Lally mit dem Einsatz seiner Stimme erzielen will (ich hoffe nicht), so ist er ein Genie. Zur Musik passt das aber dennoch nicht und obendrein lässt der Gesang diese in ziemlich schlechtem Licht dastehen, böse Zungen machen aus King Crimson-angelehnter Musik schnell mal den Eindruck eines zweitklassigen Schülerband-Jams. Dafür, dass das Gesamtprodukt so überhaupt nicht funktioniert, fährt das Trio schlussendlich zwar dennoch amtlichen Applaus (von, das muss man bedenken, zu diesem Zeitpunkt ca. 30 Fans) ein, vor die Bühne hat sich aber dennoch niemand gewagt und so gehen Lally & Co. Nach dem letzten Song des einstündigen Sets doch eher wenig erfreut grußlos von der Bühne.

Und dann ist es endlich Zeit für die Band, für die das Publikum vermutlich ausnahmslos heute erschienen ist, THE KILIMANJARO DARKJAZZ ENSEMBLE. „Und dann“? Etwas verharmlosend ausgedrückt bei etwa einer Stunde Umbaupause, in der insgesamt fünf Apple-Computer, ein Battalion an Effektgeräten, zwei Blasinstrumente und ein Synthesizer auf die Bühne gekarrt werden. Aber egal, irgendwann ist es dann doch soweit und die fünf Musiker betreten die Bühne. Zentral die Bläser, links die Gitarre, dahinter das Schlagzeug, rechts der Bass, hinten eine Art Mischpult mit Sängerin und dem Mann, der für die elektronischen Beats und die visuelle Komponente zuständig ist – über einen Großteil der Show laufen im Hintergrund zumeist stimmungsvolle Sequenzen ab, die von schwarz-weiß-Mitschnitten von Shows der Band bis hin zu wackligen Kamerafahrten durch alte Ruinen reichen. Im Vordergrund steht dennoch zweifellos die Musik, und wie das Sextett diese auf die Bühne bringt, ist schlicht und ergreifend beeindruckend. Jeder Musiker verwendet sein Instrument auf derart vielfältige Weise, dass die Band, die Beats ausgenommen, komplett ohne Einspielungen auskommt. Wenn etwas gesamplet wird, wird das live auf der Bühne gemacht, wie etwa Sängerin Charlotte gerne effektbelegte Gesangsspuren aufnimmt, um mit diesen dann sphärische Soundteppiche zu schaffen. Ähnlich zweckentfremdet wie die Stimme wird auch die Gitarre, die selten einmal klassische, cleane Passagen darbietet, sondern ebenfalls zumeist für Soundfülle zuständig ist. Ob nun mit dem Plektron über die Saiten gestrichen wird, oder durch gedämpften Anschlag perkussive Elemente erzeugt werden, normal ist es nicht, wie diese normalerweise meist melodieführend eingesetzte Instrument hier benutzt wird. Am klassischsten bleibt da noch der Basssound. Meist gibt es hier beächtige, sparsam gesäte Anschläge zu hören, die meist höchstens etwas angezerrt werden oder nachhallen.
Durch den kreativen, effektiven Einsatz der Instrumente werden beeindruckende Soundcollagen geschaffen, die zwischen intimem Charme, der meist vom schüchternen, schwebenden Kornett getragen wird, und ohrenbetäubendem Lärm pendeln, zu dem sich die immer aggressiver, perkussiver eingesetzten Instrumente oftmals hochschaukeln. Immer präsent ist auch der Beat, der ebenfalls mal im Fokus steht, mal begleitet und sich mal ins Geräusch-Inferno eingliedert.Richtig greifbar ist diese Mischung aus Bohren & der Club of Gore und lärmigem Post Rock irgendwie nicht, und diese Beschreibung würde der Musik auch nicht gerecht, aber dennoch fasziniert der Gesamtsound, unter anderem wohl, weil alles, was es hier zu hören gibt, vollkommen „anders“ klingt. Am konventionellsten, und für den unbedarften Hörer wohl der Rettungsanker im bisweilen doch eher schwierigen Sound, präsentieren sich die wenigen Nummern, bei welchen Charlotte ihr Mischpult verlässt und tatsächlich mal Text singt und der übrige Sound von fragilen Kornett-Melodien bestimmt wird.

THE KILIMANJARO DARKJAZZ ENSEMBLE ziehen heute von der ersten Sekunde an in ihren Bann (obwohl die Verhältnisse insgesamt wohl besser sein könnten, es sind nichtmal alle Lichter in der Halle gelöscht), und so ist es kein Wunder, dass sich nach der ersten, etwa halbstündigen Song-Einheit niemand traut zu klatschen, bis die Musiker sehr deutlich ihre Instrumente beiseite stellen um zu signalisieren, dass die Stimmung tatsächlich mal unterbrochen wird und die Stille nicht nur als Stilmittel eingesetzt wird. Dies zeigt doch sehr deutlich, welch großen Respekt das Publikum vor der Musik hat, was der Band wohl auch bewusst ist, denn als der Applaus dann doch aufbrandet ist den Musikern das Strahlen nur noch schwer aus den Gesichtern zu wischen. Nach diesem Moment entspannt sich auch das Verhältnis zwischen Band und Publikum vollends und während der weiteren Show klappt die Kommunikation bezüglich der Unterbrechungen zwischen Song-Blöcken dann auch besser.

So wäre es prinzipiell auch traurig, dass die fünf Jungs und das Mädel nach anderthalb Stunden Schluss machen, aber natürlich ist dieser Sound auf Dauer doch relativ anstrengend und gerade angesichts der ohrenbetäubenden Soundgewitter ist man irgendwann doch gesättigt. Für den Moment zumindest, denn nach dem Konzert greift quasi jeder Fan wohlwollend zu am Merchandise und spült der Band vielleicht das Geld in die Tasche, was ihr durch die geringe Besucherzahl entging.

Publiziert am von Marius Mutz

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert