Review Antimatter – Lights Out

Fast klammheimlich hatte Duncan Patterson nach seinem Ausstieg bei der Düsterlegende Anathema sein neues Projekt ANTIMATTER etabliert. 2004, ein Jahr nach der Veröffentlichung von „Lights Out“, verließ er die Combo wieder, und man würde Co-Gründungsmitglied Mick Moss zudem nicht gerecht, wenn man ANTIMATTER alleine auf Patterson beziehen würde – auch wenn sein Name sicher nicht hinderlich gewesen sein dürfte.

Noch weniger hinderlich war und ist allerdings die exzellente musikalische Arbeit der Briten, wobei das vorliegende Zweitwerk nicht nur den Durchbruch bedeutete, sondern aus heutiger Sicht vielleicht auch noch die beste Platte der Band ist. Dabei unterscheidet sie sich deutlich von den späteren Outputs, wie man überhaupt das Schaffen der Band in zwei Teile aufteilen kann: Bis zum dritten Longplayer „Planetary Confinement“ (also die Alben, an denen Patterson noch beteiligt war) war die Musik extrem relaxt, mit Elementen aus Trip Hop und Lounge, die folgenden „Leaving Eden“ und „Fear Of A Unique Identity“ sind insgesamt etwas härter im Dark Rock angesiedelt.

Auch nach dem x-ten Durchlauf überrascht „Lights Out“ immer noch. Die zahlreichen Nuancen hat man zwar irgendwann alle entdeckt, aber die erstaunliche Wandlungsfähigkeit trotz einer ausgesprochen limitierten Geschwindigkeit ist immer wieder spannend. Dazu kommt, dass ANTIMATTER fast nur auf akustische Elemente setzen. Natürlich erzeugen sie dabei praktisch keine Härte, womit sie sich beispielsweise klar von der Intention von Opeths „Damnation“ abheben. Die Combo erzeugt Emotionen im hochmelancholischen Bereich, textlich wie musikalisch lotet sie Abgründe von Sein und Seele aus, immer wieder stellen sie die Frage nach dem Zusammenhalt aller Dinge und der Position des Individuums im Chaos der Zeitalter.

Trotz allen Schwermuts ist die Leichtfüßigkeit bemerkenswert, mit der ANTIMATTER einerseits kurze, griffige Songs schreiben und andererseits epische Nummern im achtminütigen Bereich erschaffen, die  keine Sekunde langweilig werden. Diese Stücke – namentlich „Terminal“, „Expire“ und vor allem „In Stone“ mit einem genialen Zwischenteil und einer großartigen Vordergründigkeit des Basses – gehören zu den besten des Albums. Das absolute Highlight ist allerdings „Reality Clash“, das zwar als einziges Lied einen etwas kitschigen Titel trägt, dafür aber sonst auf ganzer Linie überzeugt. Das gesprochene Intro mit zarten Streichern mündet dabei in ein, tja, Riff kann man es wohl nicht nennen. Es ist kaum eine richtige Gitarrenmelodie, sondern ein Effekt, der einfach nach Liebe klingt – oder nach Schmerz, das kommt vielleicht auf die emotionale Verfassung des Hörers an. Auch in diesem Song nimmt der Bass wieder eine herausragende Stellung ein und zeigt, dass seine stiefmütterliche Behandlung im Metal eigentlich genau das Falsche ist.

Aufgrund der musikalischen Klasse macht „Lights Out“ rein instrumental schon eine Menge her. Trotzdem ist es gerade der Gesang, der die Platte erst so richtig veredelt, obwohl sich insgesamt vier verschiedene Sängerinnen und Sänger die Ehre geben. Da gibt es zum einen die ruhigen Stimmen der Protagonisten, wobei Mick Moss die eindeutig höheren Gesangsanteile hat. Zum anderen kommen die von einer zarten Erotik umwehten Stimmen von Hayley Windsor und vor allem Michelle Richfield hinzu, die es einem noch schwerer machen, zwischen bittersüßer Heiterkeit und rotweinschwangerer Schwere zu unterscheiden.

„Lights Out“ ist eine Platte, die trotz ihrer nicht vorhandenen Härte in jede Sammlung des geneigten Metallers gehört. Hier paaren sich Anspruch, Leidenschaft, Qualität und Vision auf allerhöchstem Niveau. Dieses Album hat schon früh in der Bandgeschichte von ANTIMATTER alles weitere in den Schatten gestellt, obwohl jede Scheibe der Gruppe allerhöchste Klasse aufweist. Definitiv eines der besten akustischen Alben überhaupt.

Wertung: 10 / 10

Publiziert am von Jan Müller

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