März 2009

Review Delain – April Rain

Die europäische Symphonic Metal-Szene hatte in den letzten Jahren viele neue Bands zu bieten – manche davon konnten sich auf Dauer behaupten, anderen hingegen wurde eher die Rolle von Eintags- bzw. Einalbenfliegen zuteil. Es ist, zugegebenermaßen, auch in diesem Bereich des Metals keine wirklich einfache Aufgabe, aus der Masse herauszustechen, wo die meisten Gruppen mehr oder minder melodisch klingeln, eine mehr oder minder begabte Sängerin haben, die noch dazu auch noch mehr oder minder attraktiv ist. Um wirklich noch bewusst von einer größeren Gemeinde wahrgenommen zu werden, bedarf es sowohl ganz besonderer Fähigkeiten als auch Ausstrahlung. All das dürfen DELAIN glücklich ihr Eigen nennen, die sich nun mit ihrem zweiten Album auf dem Vormarsch befinden

2002 begannen die Niederländer als Projekt des ehemaligen Within Temptation-Keyboarders Martijn Westerholt, der seinen Posten dort aufgrund gesundheitlicher Probleme räumte. Vier Jahre später folgte mit „Lucidity“ das erste Studioalbum, welches hauptsächlich durch die Fülle an bekannten Gastmusikern Aufmerksamkeit erregen konnte. Aufgrund des nicht ausgebliebenen Erfolgs der Scheibe starteten DELAIN nun, 2009, mit „April Rain“ ihren ersten Gehversuch als eine zur Einheit zusammengeschweißte Band.

Dass das Endergebnis dann aber doch mehr ist, als ein noch in Kinderschuhen steckender, unausgereifter musikalischer Gehversuch, offenbart sich in diesen 46:43 Minuten recht schnell.
Bereits der eröffnende Titelsong „April Rain“ gibt einen ersten Ausblick in das mit der neuen Langrille eingeschlagene Fahrwasser und dürfte für offene Münder seitens der Hörer sorgen. Die nicht nur optisch umwerfende Sängerin Charlotte Wessels hat seit der Debüt-CD merklich an sich gearbeitet und bietet ein unglaubliches Spektrum an Klangfarben in ihrer Stimme. Instrumental wissen Titel wie „Stay Forever“ durch kurze Streicher-Interludes zu gefallen, die stellenweise sogar eine fast schon abenteuerliche Atmosphäre zu erzeugen wissen, kompositorisch aber in jedem Fall erster Klasse sind. Trotz einer in höchstem Maße melodiösen Grundstimmung, die sich wie ein roter Faden durch „April Rain“ zieht, wird durch schnellere Parts, Heavy-Riffs und ein anziehendes Drumming für ausreichend Härte gesorgt, um den metallischen Ansprüchen im Symphonic Metal noch gerecht zu werden.
Nach der „Lucidity“ sticht es dann natürlich auch ins Auge, wenn sich anstatt satter neun Gastmusiker nur noch zwei im Verzeichnis wiederfinden: zum einen der enge DELAIN-Freund und Nightwish-Bassist und -Sänger Marco Hietala (Gesang auf „Control The Storm“ und „Nothing Left“) und zum anderen die junge Ausnahme-Cellistin Maria Ahn, die ihre Klasse auf „On The Other Side“ zum Ausdruck bringen kann. Wie eingangs schon erwähnt, hilft dieser ganz bewusst herbeigeführte Umstand DELAIN viel mehr, als er ihnen schadet. Es ist ihrer Musik deutlich zu entnehmen, dass sie als Band zusammengewachsen sind und sich nicht mehr durch namenhafte Gastmusiker definieren müssen. So trägt Hietala durch seine markante Stimme zwar positiv zum Gesamtbild „April Rain“s bei (vor allem auch auf „Control The Storm passt er wunderbar ins Schema), gleichzeitig glaubt man der Band aber auch, dass sie auch ohne ihn klarkommen und deswegen nur als guten Freund verpflichteten.
Für Abwechslung ist nicht nur durch die beiden Gastspiele gesorgt, sondern wird auch vom Wechsel zwischen langsamen und äußerst ruhigen Passagen, die meist von der hübschen Frontfrau getragen und dem Keyboard begleitet werden („I’ll Reach You“, „Start Swimming“) und schnelleren, härteren Parts („Go Away“, „Invidia“) gefördert, bei denen die Gitarren und das Schlagzeug merklich anziehen.

Gemeinhin sagt man ja hin und wieder, dass das dritte Album einer Band das ist, welches den Verlauf ihrer Karriere bestimmen kann. Entweder folgt damit der Durchbruch oder man dümpelt ewig auf dem gleichen Level herum. Halten mag man davon, was man will – aber würde man diesem Schema bei DELAIN folgen, so wäre es bei den sympathischen Niederländern wohl schon diese, ihre zweite, CD gewesen. Mit Spannung wurde erwartet, wie sich der Wandel vom Allstar-Gast-Projekt zur eigenständigen Band hin vollzogen hatte und ob auch in dieser Formation genügend Qualität an den Tag legen konnte.
Mit „April Rain“ ist ihnen das zweifelsfrei gelungen. Ich habe in den letzten Jahren selten etwas im symphonischen Metal-Bereich gehört, das gleichzeitig so vertraut und doch frisch klang, sich nicht anmaßte das Rad neu erfinden zu wollen und im selben Moment das Kunststück vollbrachte, aussichtsreicher Anwärter auf ein Highlight des Jahres zu werden. Der Spagat zwischen Symphonic Metal und balladesken Pop-Rock-Momenten gelang, getragen wird dieser Erfolg ganz klar auf den Schultern einer sich übertreffenden Charlotte Wessels und eines kompositorisch immer näher an der Perfektion stehenden Martijn Westerholt. Aufgrund der Terminverschiebung hatte man als Redakteur auch genügend Zeit, den Langzeitspaß der Platte auf die Probe zu stellen, aufgrund dessen ich letztendlich nur zu einem Ergebnis kommen kann: „April Rain“ ist ein bombastisches, hoch-melodisches, gesanglich einfach faszinierendes und atemberaubendes Glanzstück des Symphonic Metals, kurz: ganz großes Tennis. Kaufen!

Wertung: 9.5 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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