White Ward - False Light Cover

Review White Ward – False Light

Als WHITE WARD im Jahr 2017 mit „Futility Report“ ihr Debüt vorlegten, waren Black Metal und Jazz einander bereits das eine oder andere Mal über den Weg gelaufen. Dennoch lösten die Ukrainer mit ihrer außergewöhnlich kohärenten und atmosphärischen Mischung dieser beiden Genres im Underground ein kleines Beben aus. Der moderne Ansatz der Band stellte Großes in Aussicht – ein Versprechen, das WHITE WARD auf dem betont urbanen Nachfolger „Love Exchange Failure“ (2019) in sämtlichen Belangen einhielten. Dann kam der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und eine Schrecksekunde lang war unklar, ob die Band neue Musik veröffentlichen würde – geschweige denn, ob ihre Mitglieder in Sicherheit waren. Doch WHITE WARD meldeten sich zurück, desillusioniert und voll rechtschaffenem Zorn, aber vorerst wohlbehalten und mit einem neuen Werk im Schlepptau: „False Light“.

Während Pandemie und post-sowjetischer Imperialismus in aller Munde sind, greifen WHITE WARD auf ihrer dritten Platte eine Vielzahl anderer brisanter Themen auf, die in den Wirren des Weltgeschehens keinesfalls untergehen sollten: Umweltkatastrophen, Polizei- und häusliche Gewalt, die Leere großstädtischer Lebensräume, in denen die Natur komplett ausgemerzt wurde, die Falschheit einer Gesellschaft, in der Spektakel und Konsum alles sind – all dies und mehr rücken die Avantgarde-Black-Metaller auf der 67 Minuten langen Platte in den Fokus.

Dementsprechend eklektisch spielen WHITE WARD auf: Im Zentrum ihrer Musik stehen zwar weiterhin intensiver Post-Black-Metal und schummriger Doom-Jazz der Marke Bohren & Der Club Of Gore. Darüberhinaus strecken WHITE WARD ihre Fühler auf „False Light“, das sich mit seinem hellen, ruralen und von Verfall gezeichneten Coverbild als Gegenstück zu „Love Exchange Failure“ präsentiert, auch in andere Bereiche aus. So folgt schon auf den mächtigen bandtypischen Opener „Leviathan“ mit „Salt Paradise“ eine spröde, desolate Akustiknummer, die Jay Gambit (Crowhurst, Executioner‘s Mask) mit seinem extrem kehligen Klargesang prägt. Phasenweise schielen white ward mit stoischen Vocals, rastlosen Clean-Gitarren, Bassläufen und Drums hingegen in Richtung Post-Punk („Cronus“). Ihr größter Wurf ist der Band jedoch mit „Phoenix“ gelungen, in dem beunruhigende Horror-Synthesizer auf besonders überwältigende Tremolo-Riffs, Drumrolls und Blast-Beats treffen.

So beeindruckend das Album inhaltlich und stilistisch auch sein mag, perfekt ist es dennoch nicht ganz. Leider gestaltet sich das Songwriting oft eher zerfahren und manche Passagen – insbesondere die Doom-Jazz-Einschübe mit ihrem gedrückten Saxophon und ihrem schleichenden Drumming – mäandern etwas zu sehr vor sich hin. Ein gleichermaßen auflockerndes wie prägnantes Stück wie „Rain As Cure“ („Futility Report“) sucht man diesmal leider vergebens.

Vielleicht wollten WHITE WARD auf Album Nummer drei einfach zu viel auf einmal. Ein derart breites Spektrum an Stilmitteln und lyrischen Inhalten unter einen Hut zu bringen, ist gewiss kein Kinderspiel. Für sich genommen sind die Bestandteile der Platte zweifellos eindrucksvoll: Der Post-Black-Metal der Band ist so eindringlich wie eh und je geblieben, Doom-Jazz und Post-Punk interpretieren die Ukrainer diesmal zwar etwas knöchern, aber grundsolide, und die bislang selten bis nie zuvor eingesetzten Stilmittel wie Klargesang, Akustikgitarre und Synthesizer machen sich gut in ihrem Repertoire. Im Grunde haben WHITE WARD mit „False Light“ ein Album geschaffen, dass nicht größer als die Summe seiner Teile ist – diese haben es jedoch in sich.

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Wertung: 8 / 10

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