White Ward - Love Exchange Failure
September 2019

Review White Ward – Love Exchange Failure

Das Schöne am Underground ist ja, dass immer wieder wie aus dem Nichts Überraschungen auftauchen – Bands, die vorher niemand kannte, und die bereits mit dem Debüt begeistern können. WHITE WARD sind eine solche Band: 2012 gegründet, legten die Post-Black-Metaller nach einigen Kurzveröffentlichungen 2017 mit „Futility Report“ ein grandioses erstes Album vor: Atmosphärisch, düster, avantgardistisch angehaucht und von vorne bis hinten stimmig. Entsprechend hoch sind jedoch die Erwartungen an die Band aus dem ukrainischen Odessa, was den Nachfolger „Love Exchange Failure“ anbelangt.

„Die Band“ muss an dieser Stelle jedoch relativiert werden: Nach diversen Besetzungsewechseln ist von den WHITE WARD, die auf dem Debüt zu hören waren, nur noch das Duo Yuriy Kazaryan (Gitarre) und Andrey Pechatkin (Bass) übrig. Nachdem Pechatkin jedoch seit jeher quasi alleine für das Songwriting verantwortlich zeichnet, dürften die Änderungen am Gesamtkonzept eher dessen Launen denn den neuen Musikern zuzuschreiben zu sein. Um Befürchtungen zu zerstreuen, bevor sie auftauchen: Saxophon spielt auch im neuen Soundgewand von WHITE WARD noch eine zentrale Rolle.

War das Cover von „Futility Report“ eher naturmystisch angehaucht und vielleicht etwas klischeebeladen „teuflisch“, wirkt „Love Exchange Failure“ direkt auf den ersten Blick modern-urban. Ein Eindruck, der sich auch in der Musik widerspiegelt: Polizeisirenen hallen fern durch die Straßen, Piano, mit Besen gestreichelte Trommeln und ein herzzerreißend melancholisches Saxophon begrüßen den Hörer im knapp 12-minütigen Opener und Titeltrack in bester Bohren-und-der-Club-Of-Gore-Manier (vgl. „Sunset Mission“), ehe WHITE WARD nach gut dreieinhalb Minuten fulminant auf Black Metal umsteigen: Das Piano darf bleiben, ansonsten geben jetzt E-Gitarren, Screams und kraftvolles Schlagzeugspiel den Ton an. Das Resultat klingt mal furios, mal eher doomig – und durchweg atemberaubend. Nicht zuletzt, weil WHITE WARD das große Ganze immer wieder um kleine Details ergänzen – um Soli, Piano-Läufe und sonstige Einschübe. Kurz gefasst: Bereits dieser erste Track ist nichts weniger als ein Meisterwerk.

Mit seiner Länge ist „Love Exchange Failure“ nicht die Ausnahme, sondern eher die Regel: Songs über zehn Minuten gehören auch diesmal fest zum Repertoire der Ukrainer. Dazwischen haben WHITE WARD jeweils eine kürzere Nummer eingestreut – wenn man denn sechs bis acht Minuten Spielzeit als „kürzer“ durchgehen lässt. Dazu gehört das fast schon unspektakuläre, weil durchgehend schwarzmetallen gehaltene „Poisonous Flowers Of Violence“, aber auch der wohl abgefahrenste Song des Albums, „Surfaces And Depths“, der nicht nur des Gesangs wegen an Todtgelichter meets Blutmond denken lässt.

Und auch dazwischen lassen WHITE WARD so viel geschehen, dass man es bestenfalls anreißen kann: Ambient trifft auf Black Metal mit Doom-Jazz-Breaks („Dead Heart Confession“), Piano und Noise-Sounds werden eher experimentell verquickt („Shelter“), entspannt-melodischer Doom-Jazz trifft auf das wohl furioseste Riffing des Albums mit verspielten Gitarrenläufe („No Cure For Pain“) … jedes einzelne Stück ließe sich auch so wortreich beschreiben, dass es einem eigenen Review gleich käme.

Mag „Love Exchange Failure“ wegen all dieser Ideen zunächst auch etwas zerfahren klingen, ergibt im Gesamtkontext spätestens ab dem dritten Hördurchgang alles Sinn: der schroffe Black Metal, das düstere Saxophon, der sanfte Klargesang. So gelingt WHITE WARD mit ihrem zweiten Album bereits der zweite beeindruckende Wurf: Diese Vielfalt, diese atmosphärische Dichte muss den Ukrainern erst einmal jemand nachmachen.

Wertung: 9 / 10

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