Festivalbericht: Prophecy Fest 2022

29.09.2022 - 01.10.2022 Balve, Balver Höhle

Dass PROPHECY PRODUCTIONS ein besonderes Label sind, wird einmal im Jahr besonders deutlich. Dann nämlich, wenn das 1996 gegründete Label zum „Familientreffen“ nach Balve im Sauerland lädt. Statt eines profanen Ackers findet sich dort mit der Balver Höhle eine der spektakulärsten Konzert-Locations Deutschlands. Und statt Metal-Mainstream bietet das PROPHECY FEST auch dieser sechsten Auflage vornehmlich selten auftretende Bands aus dem erlesenen PROPHECY-Roster.

Donnerstag, 29.09.22

Ehe es am Samstag in die Höhle geht, steht am Anreise-Freitag unter dem Titel „Prophetic Overture“ eine Art „Pre-Festival-Party“ mit Freibier und einigen Akustik-Acts auf dem Camping-Gelände an.

ZWISCHENLICHTEN auf dem Prophecy Fest 2022Als erste Band des Festivals dürfen ZWISCHENLICHTEN auf die von Strohpuppen und Sträuchern gesäumte Mini-Bühne. Ein Album hat das Zwei-Mann-Projekt aus Helmbrechts zwar noch nicht, wohl aber einen klar definierten Stil: Dargeboten wird naturromantischer, wehmütiger Neofolk, dessen Rückgrat gefühlsbetonter Gesang und griffiges Akustikgitarrenspiel bilden. Mit post-rockigen Gitarrenläufen, Trommelschlägen sowie geisterhaftem Raunen und Gelächter erweckt Martin van Valkenstijn die in den Liedern erzählten Geschichten zum Leben. Bisweilen mögen ZWISCHENLICHTEN etwas unscheinbar und pathetisch erscheinen, insgesamt gelingt dem Duo jedoch ein würdiger Auftakt für das PROPHECY FEST 2022. [SR]

CRONE auf dem Prophecy Fest 2022Mit CRONE, dem Dark-Rock-Projekt um Phil „sG“ Jonas (Secrets Of The Moon) geht es deutlich prominenter weiter. Nicht zuletzt mit ihrem eben erst erschienenen Album „Gotta Light“ hätten die Osnabrücker eigentlich auch extrem starke Songs in petto – allerdings eben als Dark Rock mit Zerrgitarren. Dass die Band ihr Material im Rahmen des Eröffnungsabends „nur“ rein akustisch präsentieren kann, ist darum überaus schade: Nicht alle Songs profitieren von der Umarbeitung auf Akustikgitarren und Duett-Gesang. Vor allem aber fehlt der Band – bei zunehmender Kälte absolut verständlich – jene Leichtigkeit, die den Zauber einer Akustik-Show ausmacht. Hits wie „Quicksand“ begeistern freilich dennoch – mit Strom und in der Höhle hätten CRONE aber fraglos besser funktioniert. [MG]

Neun Welten auf dem Prophecy Fest 2022Auch NEUN WELTEN haben nicht unbedingt Glück: Aufgrund technischer Probleme kann das Ensemble erst eine halbe Stunde nach Plan sein Set beginnen. Der wohlwollende Vorschussapplaus des Publikums zeugt indessen von der familiären Atmosphäre des Festivals. Ganz glatt läuft es aber auch im weiteren Verlauf der Show nicht: Die Stücke des letzten Albums „The Sea I’m Diving In“ (2017) wollen sich rein akustisch und somit ohne ihr Post-Rock-Gewand nicht vollends entfalten und wie schon die Gitarristen von Crone leidet auch Meinolf Müller sichtlich unter den rapide sinkenden Temperaturen. Da entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass sich im Set auch „Frosthauch“ findet. Dass NEUN WELTEN mit ihrem Auftritt trotz allem die Herzen der Anwesenden berühren, ist in den Jubelstürmen und (von Erfolg gekrönten) Rufen nach einer Zugabe nicht zu überhören. [SR]

Thurnin auf dem Prophecy Fest 2022Mit THURNIN folgt sodann ein erst knapp zwei Wochen vor der Veranstaltung angekündigter Prophecy-Neuzugang. Solokünstler Jurre Timmer stellt dem kammermusikartigen Ansatz des vorangegangenen Auftritts eine minimalistische Form von Dark Folk gegenüber. Völlig vertieft in sein verhältnismäßig komplexes Akustikgitarrenspiel, das lediglich von sphärischen Keyboard-Samples begleitet wird, scheint Timmer, auch ohne ein Wort zu singen, Geschichten zu erzählen. Ein zwischenzeitiger Ausfall der Lautsprecher unterbricht den relativ kurzen Auftritt zwar unsanft, der angenehmen Lagerfeuerstimmung tut dies jedoch nur einen kurzen Abbruch. [SR]

VRIMUOT auf dem Prophecy Fest 2022Typischer, um nicht zu sagen klischeereicher, leben sich VRÎMUOT anschließend wieder im Neofolk aus: Das selbsterklärte Ziel, durch die Musik Gefühle im Geist der Romantiker zu erzeugen und dem „Samsara“ der Gegenwart zu entrinnen, um Erleuchtung zu finden, erreichen VRÎMUOT (Mittelhochdeutsch: „Freimütigkeit“) heute allerdings höchstens in ihrer Selbstwahrnehmung. Von außen betrachtet wird auch hier nichts weiter als ein schwülstiger Mix aus Akustikgitarrenspiel, pseudo-rituellem Getrommel und pathosgeschwängertem Gesang geboten. Auch dafür gibt es am heutigen Abend dankbare Abnehmer – „spannend“ geht jedoch anders, zumal VRÎMUOT später als geplant beginnen und länger als geplant spielen. [MG]

MOSAIC auf dem Prophecy Fest 2022Zum Abschluss belohnen MOSAIC das von der klirrenden Kälte und den Verzögerungen gebeutelte Publikum mit der eindringlichsten Performance des heutigen Abends. Der rituell anmutende Auftritt der beiden Musiker bildet quasi das finstere Pendant zu ihrem eher romantischen Opening-Auftritt als Zwischenlichten. Zwar finden sich in ihrem Set auch ein paar schwelgende Nummern wie „Die alte Straße“, in den meisten der dargebotenen Stücke steckt jedoch etwas Unheimliches. Insbesondere stimmlich schinden MOSAIC mächtig Eindruck, indem sie verheißungsvolle Gesänge mit teuflischem Gekicher und jauchzenden Schreien kontrastieren. Zum Ende hin nimmt Bandkopf Martin van Valkenstijn mit dem schwarzmetallischen „Wir sind Geister“ schließlich eindrucksvoll vorweg, dass in den kommenden zwei Tagen nicht bloß seichter Neofolk gespielt werden wird. [SR]

KRACHMUCKER TV liest King Diamond auf dem Prophecy Fest 2022Wer zur späten Stunde nicht nur vor Kälte erschaudern will, bleibt nach der letzten Show noch vor der Bühne: Als „Bösenachtgeschichte“ liest Ernie von KRACHMUCKER TV noch zwei liebevoll ins Deutsche übertragene Gruselgeschichten von King Diamond. Die lebhaft vorgetragenen Geschichten verfehlen tatsächlich ihre Wirkung nicht – dennoch trotzt nur eine überschaubare Zahl Festivalbesucher den eisigen Temperaturen. Schade … etwas früher am Abend wäre diese Einlage eine willkommene Abwechslung gewesen.

Freitag, 30.09.22

IMHA TARIKAT auf dem Prophecy Fest 2022Der erste „echte“ Festival-Tag startet um 12:30 Uhr mit IMHA TARIKAT, was auf Türkisch so viel wie „Ausrottungssekte“ bedeutet. Trotz des frühen Slots und obwohl die 2015 gegründete Band noch in die Kategorie Newcomer fällt, ist das Interesse an der Performance groß. Das liegt sicher auch daran, dass rohe Zerrgitarren-Riffs auf dem diesjährigen PROPHECY FEST vergleichsweise rar sind – IMHA TARIKAT haben davon jedoch genug für zwei Auftritte. Gepaart mit eingängigen Lead-Gitarren und einer energiegeladenen Performance von Karem Yilmaz und Konsorten ergibt das einen rockig-rotzigen Auftritt, der allen Anwesenden den letzten Schlaf aus den Augen bläst. [MG]

ARÐ auf dem Prophecy Fest 2022Bei ARÐ geht es im Anschluss gemächlicher, aber nicht weniger heavy her. Der von Mark Deeks (Winterfylleth) angeführten Doom-Metal-Band gelingt es hervorragend, die machtvolle Erhabenheit ihres Debütalbums „Take Up My Bones“ in das Live-Setting zu transportieren. Obwohl nur zwei der Bühnenmusiker ihre Stimmen erheben, meint man aufgrund des Halls einen ganzen Chor zu hören. Derweil kommen die schwermütigen Leadgitarren, die eleganten Keyboardarrangements und das getragene Drumming im gut ausdifferenzierten Sound gleichermaßen hervorragend zur Geltung. Die auf einer Leinwand gezeigten Symbolbilder, die jeweils für einen Song und damit für einen Teil der auf dem Album erzählten Geschichte stehen, sowie die stimmungsvolle Lightshow runden den starken Auftritt auch visuell stimmig ab. [SR]

OF THE WAND & THE MOON auf dem Prophecy Fest 2022Nicht bloß im Vergleich zur überwältigenden Darbietung von Arð legt der Solokünstler Kim Larsen mit OF THE WAND & THE MOON im Anschluss einen ernüchternden Auftritt hin. Live singt Larsen noch unsicherer als auf Platte und seine simplen Akkordfolgen auf der Akustikgitarre sind alles andere als mitreißend. Dass die restliche Instrumentierung – etwa die jazzigen Bläser – der bombastischen, tragisch-romantischen Stücke aus seiner späteren Schaffensperiode vom Band mitlaufen, gibt der Live-Umsetzung einen enttäuschend lieblosen Charakter. Dasselbe gilt für die auf der Leinwand im Hintergrund gezeigten Ausschnitte alter Schwarz-Weiß-Filme: Die gezeigten Sequenzen scheinen weder auf die jeweiligen Lieder noch auf die Länge des Sets abgestimmt, sodass sich die Ausschnitte irgendwann schlicht wiederholen. Dass eine der wenigen Ansagen des Einzelmusikers ausgerechnet ein „Hau weg die Scheiße“ vor einem beherzten Schluck aus der Bierdose ist, legt nahe, dass Larsen die Atmosphäre seiner Show diesmal herzlich egal war. [SR]

WINTERFYLLETH auf dem Prophecy Fest 2022Nach diesem (etwas zu) ruhigen Auftritt steht mit WINTERFYLLETH die zweite Black-Metal-Band des Tages auf dem Programm. Dass drei der Musiker kaum eine Stunde zuvor noch mit Arð auf der Bühne standen, merkt man nicht, wenn man es nicht weiß: Fast gänzlich eingehüllt von dichtem Nebel kreieren die Engländer nun mit verwaschenen Gitarrenwänden eine angenehm ereignislose Stimmung: Konkrete Elemente, die aufmerken lassen oder im Ohr bleiben, haben WINTERFYLLETH zwar nicht zu bieten – Atmosphäre kommt nicht zuletzt dank des grandiosen Ambientes der Balver Höhle fraglos auf. [MG]

[Dass die Neofolk-Szene leider auch ein Tummelbecken für dubioser Gestalten ist, zeigt sich bei FIRE + ICE: Da von Bandgründer Ian Read verschiedene äußerst fragwürdige Aussagen aus den 1990er-Jahren kursieren, die sich nicht ohne Weiteres überprüfen lassen, sehen wir von einer Besprechung des Auftritts an dieser Stelle ab.]

THE VISION BLEAK auf dem Prophecy Fest 2022Mit THE VISION BLEAK steht im Anschluss ein echtes PROPHECY-Urgestein auf dem Programm – und zugleich ein echtes Highlight. Der musikalisch komplett belanglose vorangegangene Auftritt mag den Kontrast zu Gunsten von THE VISION BLEAK verstärken, aber auch für sich genommen läuft das Duo aus Allen B. Konstanz und Ulf Theodor Schwadorf (beide auch bei Empyrium) heute zu absoluter Bestform auf. Konstanz überzeugt mit einer ausdrucksstarken wie stimmlich astreinen Performance, während Schwadorf die groovigen Dark-Rock-Riffs noch einen Tick kraftvoller zu spielen scheint als sonst. Dass der Sound in der Höhle hier erstmalig etwas brummelig ist, vermag die Freude an dieser starken Performance nicht zu schmälern. [MG]

ALCEST auf dem Prophecy Fest 2022Der prominenteste Act des Tages ist mit ALCEST ausgerechnet ein „ehemaliges“ Familienmitglied: Dass die Franzosen mittlerweile bei Nuclear Blast Records unter Vertrag stehen, scheint die Beziehung zu ihrem langjährigen Label nicht beschädigt zu haben. Zwar hätte es sicher auch im Roster von PROPHECY Bands gegeben, die sich über diesen Slot gefreut hätten – die große Beliebtheit der Franzosen in der Szene rechtfertigt die Einladung der „Ehemaligen“ aber allemal. Leider wird die Show den hohen Erwartungen nur zum Teil gerecht: Zwar liefern Neige und seine Mitstreiter auch heute eine absolut solide Show ab – aber eben nicht mehr. Der Auftritt wirkt routiniert, vor allem aber nicht auf die Location abgestimmt: Da die Höhle mit zunehmender Lautstärke erwartungsgemäß zunehmend hallig und undifferenziert klingt, hätte sich ein ruhiges Set angeboten – statt dessen spielen ALCEST ihr aktuelles, Black-Metal-lastiges Standardprogramm. Das mag im Kontext der Tour-Routine nachvollziehbar sein – für einen besondere Location wie die Balver Höhle wäre ein besonderes Set aber eigentlich nicht zu viel verlangt gewesen. [MG]

ARTHUR BROWN auf dem Prophecy Fest 2022Alcests erprobte Abschlussnummer „Délivrance“ direkt im Anschluss zu überbieten, ist eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Doch ARTHUR BROWN alias „The God Of Hellfire“ spielt schon immer in seiner eigenen Liga und so entzieht sich auch sein heutiges Abschluss-Set jedweder Gegenüberstellung. Mit einer Nonchalance, die schon an Respektlosigkeit grenzt, wirft der 80 Jahre alte Shock-Rock-Pionier mit seiner Band die von Alcest beschworene Aura transzendentaler Erhabenheit hochkant über Bord und veranstaltet dabei ein grandioses Spektakel. Während sich seine exzellent aufeinander eingegroovten Mitmusiker in den abwechselnd proggig-komplexen, psychedelischen, lässig-bluesigen und kräftig rockenden Tracks in einen wahren Rausch spielen und auf der Leinwand ein surrealer Mix aus kunterbunten Videosequenzen läuft, verschwindet ARTHUR BROWN nach nahezu jedem Song kurz hinter der Bühne, nur, um kurz darauf in einem noch skurrileren Kostüm zurückzukommen. Dabei ist sich der immerzu tanzende Berufsexzentriker, der in seinen exaltierten Gesangseinlagen einen weiten Bogen um eingängige Hooks macht, für keine Albernheit zu schade. Am späten Ende der gut 100-minütigen Show gibt die Rock-Legende den Leuten noch ein paar ermutigende Worte mit auf den Weg: „To those of you who are under sixty: There’s still a lot of life to be lived.“ [SR]

ARTHUR BROWN auf dem Prophecy Fest 2022
ARTHUR BROWN auf dem Prophecy Fest 2022

Samstag, 01.10.22

DOLD VORDE ENS NAVN auf dem Prophecy Fest 2022Wie schon am Vortag gibt es auch heute einen lautstarken Auftakt in einen ansonsten vergleichsweise ruhigen Tag: Die erst 2019 gegründete Formation DOLD VORDE ENS NAVN um Dødheimsgard-Sänger Vicotnik und Ulver-Mitbegründer Haavard klingt zum Glück nicht ganz so sperrig wie der Bandname – ihre Erfahrung aus anderen Bands sowie ihre Wurzeln im avantgardistischen Black Metal hört man den Norwegern aber im besten Sinne an. So werden hier verspielte Melodien – erfreulicherweise auch live auf der Akustikgitarre dargeboten, anstatt nur eingesamplet – mit Gitarrenriffs und Blast-Beats im typischen Second-Wave-Stil kombiniert. Vor allem aber Vicotnik beeindruckt mit seiner unglaublich vielseitigen Gesangs- und Geschreidarbietung, bei der er wie vom Teufel besessen gestikuliert und über die Bühne hetzt. Mit den anfangs noch verhaltenen Reaktionen zeigt der kauzige Sänger sich zwar merklich unzufrieden, letzten Endes ernten DOLD VORDE ENS NAVN für ihre intensive Show jedoch zufriedenstellenden Applaus. [SR]

A FOREST OF STARS auf dem Prophecy Fest 2022„Kauzig“ ist ein Begriff, der auch auf A FOREST OF STARS und deren Fronter Mister Curse passt – allerdings mit deutlich weniger Sympathie-Faktor. Doch nicht nur dessen entrücktes Auftreten und einige technische Probleme wie ein kurzzeitiger Ausfall der Geige von Katheryne, Queen of the Ghosts, schwächen die Wirkung der Musik ab. Auch das Songmaterial selbst wirkt live noch verkopfter als das auf Platte eh schon der Fall ist. Hier passiert zwar viel – doch nur selten ist das Resultat mehr als die Summe seiner Bestandteile. Einzig als A FOREST OF STARS mit dem gleichzeitigen Einsatz von zwei Drumkits für perkussiven Groove sorgen, bekommt die Show so etwas wie einen Höhepunkt. Insgesamt bestätigt der Auftritt jedoch den Eindruck, den die Alben hinterlassen: Über A FOREST OF STARS lässt sich trefflich streiten.[MG]

SATURNUS auf dem Prophecy Fest 2022Deutlich weniger streitbar, allerdings auch weit weniger individuell ist die Musik von SATURNUS: Die Band aus Dänemark zeigt sich heute bestens gelaunt und absolut sympathisch – das kann allerdings nicht immer ganz darüber hinwegtäuschen, dass sie in nun fast 30 Jahren Bandgeschichte leider keinen wirklich unverkennbaren, eigenen Stil etabliert haben. So sind die Mannen um Fronter Thomas Akim Grønbæk Jensen im Billing des PROPHECY FEST als einzige echte Doom-Metal-Band zwar eine willkommene Abwechslung, die Songs selbst wirken bei näherem Hinhören aber bisweilen doch arg beliebig. Spaß macht der genretypische Mix aus tonnenschweren Riffs und getragenen Melodien aber trotzdem, sodass sich auch SATURNUS über viel Zuspruch freuen dürfen. [MG]

CAMERATA MEDIOLANENSE auf dem Prophecy Fest 2022Bei CAMERATA MEDIOLANENSE bleibt der Metal zwar außen vor – von einer Ruhepause kann bei der Darbietung des italienischen Ensembles aber auch keine Rede sein. Vielmehr agiert die Band, deren Songs zwischen bombastischer Neoklassik und schummriger Dark Wave rangieren, nach dem Motto „mehr ist mehr“. Mit den Stimmen zweier Sängerinnen, die sich in ihrer Performance opernhaft-pathetisch geben, der Durchschlagskraft dreier Perkussionsinstrumente, die mitunter parallel zum Einsatz kommen, und zwei elegant bespielten Keyboards kreieren CAMERATA MEDIOLANENSE eine eindrucksvolle, teilweise geradezu hypnotische Klangkulisse – da braucht es gar keine verzerrte E-Gitarre. So bleibt die Show der Kammermusikgruppe am Ende als eine der außergewöhnlichsten des Festivals in Erinnerung. [SR]

ANTIMATTER auf dem Prophecy Fest 2022Anschließend spielen ANTIMATTER eine der drei Shows ihrer Mini-Tour zur Feier des zehnjährigen Jubiläums von „Fear Of A Unique Identity“. Bei ihrer Darbietung des Albums zeigen sich die britischen Dark-Rocker in Bestform – Sänger Mick Moss wehklagt überzeugend wie eh und je und sowohl die mysteriösen, trübsinnigen Gitarrenriffs als auch das kräftige Drumming sitzen tadellos. Auch der gut ausbalancierte Sound und die stets zur Musik passende Beleuchtung fallen positiv auf. Beachtlich ist zudem die routiniert wirkende Performance des auffallend jungen Bassisten Christopher Hughes, der einem Social-Media-Posting der Band zufolge in letzter Minute für seinen Onkel eingesprungen ist. Zwar mag der Bass manchmal etwas zu laut aus den Boxen dröhnen und es ein wenig bedauerlich sein, dass anstelle des Keyboards Samples zum Einsatz kommen – alles in allem liefern ANTIMATTER jedoch einen soliden Auftritt ab. [SR]

AUSTERE auf dem Prophecy Fest 2022Mit dem Auftritt der Depressive-Black-Metaller AUSTERE steht anschließend ein von vielen Fans lange herbeigesehntes Ereignis an. Schließlich handelt es sich beim Auftritt der Australier Desolate und Sorrow in Balve um die erst zweite AUSTERE-Show überhaupt, nachdem das vormalige Studio-Projekt 2021 nach über zehn Jahren der Inaktivität überraschend wiederbelebt und bühnentauglich gemacht wurde. Leider kann der Auftritt den extrem hohen Erwartungen zunächst nicht gerecht werden: Während der showerfahrene Live-Gitarrist Eklatanz (Heretoir, Dornenreich) spielt und singt, als wäre er der eigentliche Kern der Band, liefert Sänger Desolate in Sachen Screaming tatsächlich eine ebensolche Leistung ab – und der charakteristische Jammer-Gesang von Drummer Sorrow ist zunächst kaum zu hören. Erst in der zweiten Hälfte des Vier-Song-Sets und insbesondere mit dem abschließenden Hit „Just For A Moment“ können AUSTERE ihr Potenzial voll entfalten. Mit etwas mehr Routine könnte das künftig noch verdammt gut werden – heute jedoch wird die Show dem Hype noch nicht gerecht. [MG]

DARKHER auf dem Prophecy Fest 2022DARKHER machen im Anschluss vor, wie man aus einem Minimum an Klangerzeugern ein Maximum an Wirkung herausholt: Das britische Trio steht lediglich mit einer Gitarre, einer E-Geige und einem Schlagzeug auf der Bühne. Ihre zwischen Doom Metal und Dark Folk angesiedelten, auch auf Platte mitunter recht kargen Stücke adaptiert die Band jedoch dermaßen raffiniert, dass sie auch in dieser minimalistischen Besetzung nichts von ihrer schauderhaften Ausstrahlung einbüßen. Dabei ist Jayn Maivens glasklare Stimme immer wieder die Krönung, insbesondere im Zuge des tragischen Höhepunkts von „Where The Devil Waits“, den die Frontfrau mit beinahe unmenschlichen Klagelauten irrsinnig packend gestaltet. Damit können DARKHER eine der atmosphärischsten und eindrücklichsten Darbietungen der gesamten Veranstaltung für sich verbuchen. [SR]

COVEN auf dem Prophecy Fest 2022Wie bereits am Vortag mit Arthur Brown steht mit COVEN auch heute ein stilprägender Pionier-Act der Rock-Geschichte auf dem Programm. Die US-Band gilt als Mitbegründerin des Occult-Rock und hat auch den Metal stark beeinflusst. In Sachen Show geben COVEN sich sichtlich Mühe, mit Arthur Brown mitzuhalten: So dominiert am Anfang ein imposanter Sarg das Bühnenbild, ehe Sängerin Jinx Dawson mit einer funkelnden Maske erscheint. Im Hintergrund werden derweil infernalische bewegte Bilder, aber etwa auch Ausschnitte aus dem schwedischen Kultfilm „Häxan“ (1922) gezeigt. All das täuscht aber nicht darüber hinweg, wie dürftig der Auftritt in musikalischer Hinsicht ist. Bass und Schlagzeug dominieren den Sound, sodass Gitarre, Keyboard und Gesang über weite Strecken untergehen. Hört man Dawson doch einmal singen, wird deutlich, dass ihre einst so markige Stimme inzwischen eher wie das Raunzen einer aufgescheuchten Katze klingt – und auch im Stageacting wirkt die 72-Jährige weit weniger souverän als ihr 80-jähriger Vorreiter. Dank der gut eingespielten, im Vergleich zu Jinx fast jugendlichen Live-Musiker strahlen COVEN trotzdem noch genug Energie aus, um das Publikum letztlich mitzureißen, ehe sich die Band am Ende nach einer Verbeugung recht prompt zurückzieht. [SR]

EMPYRIUM auf dem Prophecy Fest 2022Kaum eine Band könnte ein PROPHECY FEST stimmiger abrunden als EMPYRIUM, deren Album „A Wintersunset…“ von 1996 die geschichtsträchtige Katalognummer „PRO 001“ trägt, also der erste PROPHECY-Release überhaupt war. Mit ihrer heutigen Show nehmen EMPYRIUM ihre Fans immerhin fast so weit in die Vergangenheit zurück: Auf dem Programm steht das 1997er-Album „Songs Of Moors & Misty Fields“. Dass heute ausgerechnet dieses Werk in Gänze gespielt wird, dürfte aber nicht nur an dessen Beliebtheit bei den Fans liegen: Thomas Helm, eigentlich unverzichtbarer Teil von EMPYRIUM, aber auf eben diesem Album nicht zu hören, ist heute nämlich verhindert. Doch auch „alleine“, respektive mit Unterstützung seiner prominenten Live-Besetzung aus Eviga (Dornenreich; Gitarre), Fursy Teyssier (Les Discrets; Bass) und Allen B. Konstanz (The Vision Bleak; Schlagzeug) gelingt es Markus Stock, die EMPYRIUM-eigene, heimelige Atmosphäre aufleben zu lassen. Dass die Band unlängst angekündigt hat, vorerst keine Clubshows und nur noch gelegentlich auf Festivals zu spielen, verleiht dem Auftritt noch eine besondere Note – umso trauriger, dass EMPYRIUM nach der 45-minütigen Darbietung von „Songs Of Moors & Misty Fields“ ohne eine einzige Zugabe die Bühne verlassen. Ein paar Songs mehr hätten es gerne sein dürfen – nach zwei Festival-Tagen mit jeweils knapp zwölf Stunden Musikprogramm hält sich die Enttäuschung aber zugegebenermaßen in Grenzen.

EMPYRIUM auf dem Prophecy Fest 2022
EMPYRIUM auf dem Prophecy Fest 2022

Während am ersten Abend und des Nachts auf dem Campingplatz deutlich spürbar wird, dass der Sommer längst vorbei ist, helfen Heizstrahler in der dennoch nicht unbedingt heimelig warmen Höhle an den beiden „richtigen“ Festival-Tagen, diesen Fakt zumindest zeitweise zu verdrängen. So verlängert das PROPHECY FEST die Festival-Saison bis in den Oktober hinein – und das mit einem so vielseitigen wie unkonventionellen Programm: Gerade die einzigartige Mischung aus Bands längst vergangener Tage und Newcomern sowie aus unterschiedlichsten Genres – von Neofolk bis Black Metal – sorgt für durchweg gute Unterhaltung. Wo sonst sieht man schließlich Acts wie Arthur Brown, Alcest und A Forest Of Stars auf einer einzigen Veranstaltung?

Positiv hervorzuheben sind weiterhin die fast durchweg fairen Preise für Merch (Shirts ab 15€, CDs ab 10€) und Verpflegung (je 3,20€ für 0,3l Bier/Cola/Pommes/Currywurst/Bratwurst) – bei einem nicht ganz günstigen Ticketpreis von 110€ (2 Tage) beziehungsweise 75€ (Tagesticket) eine erfreuliche Überraschung. Für alle, die sich die Anreise nach Balve oder besagte „laufende Kosten“ sparen wollten, wurde das PROPHECY FEST im Übrigen als (kostenfreier!) Livestream über Youtube und Facebook übertragen. Mit verschiedenen Kamera-Perspektiven und (zumindest auf Youtube) in absolut vertretbarer Bildqualität ist dieser Service mehr als nur zeitgemäß – und zeigt einmal mehr die Liebe zum Detail, die PROPHECY PRODUCTIONS seit jeher auszeichnet.

ARTHUR BROWN auf dem Prophecy Fest 2022
ARTHUR BROWN auf dem Prophecy Fest 2022
Fotos: © Afra Gethöffer-Grütz/Metal1.info; außer: NEUN WELTEN, THURNIN (© Stephan Rajchl/Metal1.info)

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2 Kommentare zu “Prophecy Fest 2022

  1. Respekt, dass ihr so viel Rückgrat habt, einen Bericht über FIRE + ICE zu streichen! So eine Haltung würde ich mir öfter wünschen, ist ja schon erschreckend genug, dass solche Musiker auf einem großen Festival gebucht werden. Leider sind auch Of The Wand & The Moon alles andere als unbedenklich. Der Herr pflegt gute Kontakte zu rechten Musikern wie Death In June, Blood & Sun oder Vril Jäger. Klar, textlich ist er selbst wohl relativ sauber unterwegs, aber ich finde es einfach widerlich, mit solchen Menschen Kontakte zu pflegen oder auf Tour zu gehen. Ich möchte auch deshalb nochmal ein fettes DANKE an euch aussprechen, dass ihr euch immer klar gegen rechts positioniert!

    1. Hallo Meina,
      Danke für die netten Worte – es tut gut, zu lesen, dass unsere Bemühungen dahingehend auf positive Resonanz stoßen; allzu oft wird das in der Szene ja eher als „Nestbeschmutzung“ erachtet. Was TW&TM angeht: Ja, uns ist bewusst, dass man auch diese getrost kritisch sehen kann – aber irgendwo muss man ja auch eine Grenze ziehen. Wir haben uns hier nach bestem Wissen und Gewissen so entschieden – sollte sich irgendwann herausstellen, dass wir dabei zu freigiebig waren, werden wir den Artikel entsprechend editieren. Rechte Projekte und Ideen werden auf Metal1.info nie Platz finden.

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