Interview mit Adrian Utzon Dietz von Solbrud

Read the English version

Mit „IIII“ legen die Dänen SOLBRUD ein in vieler Hinsicht besonderes Album vor: Es ist nicht nur das letzte mit Sänger Ole Pedersen Luk, der sich nun seinem Soloprojekt Afsky widmet, sondern auch ein Konzeptalbum in vier Teilen und mit vier individuell agierenden Komponisten. Worauf dieses Konzept fußt, was „IIII“ geprägt hat und was der Ausstieg von Ole für SOLBRUD bedeutet hat, erklärt Gitarrist Adrian Utzon Dietz im Interview.

Seit eurem letzten Studioalbum sind sieben Jahre vergangen – das neue Album habt ihr aber schon im Frühjahr 2021 aufgenommen. Wie kommt es, dass es erst jetzt veröffentlicht wird?
Nun, zunächst einmal war das Schreiben und Aufnehmen eines Doppelalbums ein sehr großes Unterfangen für uns. Sogar mehr als erwartet. Alles hat sich verdoppelt, was das Songwriting, die Aufnahmen, die Overdubs, das Abmischen, die Gestaltung des Artworks und so weiter angeht. Und abgesehen von dem großen Arbeitspensum und unserem Ehrgeiz, was das Songwriting und die Produktion angeht, hatten wir auch mit vielen zeitraubenden Herausforderungen zu kämpfen, die außerhalb unserer Kontrolle lagen – im Grunde war jede größere Herausforderung dabei, die man sich vorstellen kann. Etwa ein halbes Jahr ist verstrichen, weil der erste Produzent, den wir für den Mix des Albums gebucht hatten, nichts außer ein paar unbrauchbaren Mixes geliefert hat. Darum haben wir uns dann entschieden, wieder mit Marcus Ferreira Larsen zusammenzuarbeiten – mit großartigen Ergebnissen. Es war auch sehr schwierig, mit unserer bisherigen Plattenfirma eine Einigung zu erzielen und voranzukommen, was zu einer weiteren Verzögerung von etwa einem Jahr geführt haben dürfte.

Euer vorheriger Sänger Ole Pedersen Luk hat euch 2021 verlassen – bedeutet das, dass wir auf dem Album noch Ole hören? Oder wer singt hier?
Ja, es ist immer noch Oles messerscharfer Gesang auf „IIII“ und er hat das vierte Kapitel, das Element Feuer, zum Album beigesteuert.

In der Zwischenzeit hat er mit seinem Soloprojekt Afsky richtig Fahrt aufgenommen. War das der Grund für seinen Weggang?
Ja, es ist wahrscheinlich der Hauptgrund, dass es für ihn mit Afsky sehr gut läuft und er es einfacher findet, die Dinge, die er wirklich will, unter seinem eigenen Namen zu tun, anstatt sich mit uns dreien herumzuschlagen, wie er das früher musste.

Kam sein Ausscheiden für euch überraschend oder war es vorhersehbar – und wie seid ihr damit umgegangen?
Es war schon lange abzusehen, da sein Interesse und seine Energie für SOLBRUD allmählich nachzulassen schienen, also nein, es war keine große Überraschung für uns. Trotzdem ist es schwer zu verkraften, den Sänger und auf der Bühne den zentralen Gitarristen zu ersetzen. Er war seit zehn Jahren bei uns, und obwohl es wahrscheinlich das Beste für die Zukunft beider Bands ist, war es für uns persönlich ein ziemlicher Verlust, mit dem wir alle unterschiedlich umgegangen sind. Wir verstehen uns immer noch ziemlich gut und es ist alles ziemlich undramatisch verlaufen, also bleiben wir mit ihm befreundet und freuen uns, dass es ihm mit Afsky so gut geht.

Wie seid ihr bei der Suche nach einem Ersatz vorgegangen und wie seid ihr schließlich auf David Hernan gestoßen?
Wir haben es öffentlich über unsere sozialen Medien und einige Musikerkontaktgruppen bekannt gegeben. David tauchte vor zwei Jahren als erster Kandidat in unserem Proberaum auf, und wir waren uns sehr schnell einig, dass er der richtige Mann für den Job ist, und wir sind immer noch sehr zufrieden mit seinem Einsatz.

Euer neues Album heißt einfach „IIII“ – offensichtlich, weil es euer viertes Album ist, aber das Cover suggeriert jedoch, dass es nicht (nur) um die Tatsache geht, dass es das vierte Album ist – sondern auch um die vier Elemente. Liege ich damit richtig, oder was ist das Konzept hinter „IIII“?
Das ist genau richtig. Es ist das vierte Album, wir sind vier Bandmitglieder und es besteht aus vier Teilen, die den vier klassischen Elementen entsprechen. Wir haben am Anfang jeweils ein Element ausgewählt, das als Inspirationsquelle für den Teil dienen sollte, den ein jeder von uns schreiben würde – mit einem Umfang, der auf eine Vinylseite passt, also etwa 22 Minuten.

Ich habe das Gefühl, dass die Aufmerksamkeitsspanne der Menschen immer kürzer wird, viele Leute hören nur noch Playlists und keine ganzen Alben mehr – dem setzt ihr ein Doppelalbum mit einer Gesamtspielzeit von rund 90 Minuten entgegen. Welche Intention steckt hinter diesem ambitionierten Projekt?
Ja, es scheint eine Tendenz zu einer geringeren Aufmerksamkeitsspanne zu geben, da alles mit ein wenig Herumtippen auf dem Smartphone abrufbar ist. Dagegen kann man nicht viel tun, außer zu versuchen, den eigenen Gebrauch dieser Dinge auf das Nötigste zu beschränken. Aber wir glauben, dass sich Geduld und intensive Auseinandersetzung lohnen – bei Musik und bei vielen anderen Dingen im Leben. Allerdings enthält das Album auch kürzere und einfachere Songs, die wir als eigenständige Singles veröffentlicht haben, und ich denke, dass es ein Vorteil ist, auf einem Album dieser Größenordnung ein paar mehr Hit-Songs zu haben … soweit wir überhaupt in der Lage sind, einen siebenminütigen „Hit“-Song zu machen. (lacht)

In jedem Entstehungsprozess eines Albums gibt es Höhen und Tiefen – gab es einen Moment, in dem du besonders begeistert von dem Projekt warst, aber auch einen, der dich vor eine besondere Herausforderung stellte und frustrierend war?
Für mich war die eigentliche Aufnahmephase, in der wir uns endlich erlauben konnten, die Tracks einen nach dem anderen im Laufe von ein paar Monaten aufzunehmen, besonders befriedigend, aber auch kräftezehrend. Auch dass Marcus ein Jahr später alle Tracks gut abgemischt hat, war großartig. Ein großer Teil der anfänglichen Arbeit am Album fand während der Corona-Lockdowns statt, was bedeutete, dass viele Shows und Tourneen abgesagt werden mussten, was für eine Band ein absoluter Flop war. Wenn man nicht live spielen kann, versteht man erst, wie absolut notwendig das für einen persönlich ist und auch, um die Band wirtschaftlich über Wasser zu halten. Die Lockdown-Phase war also besonders hart, aber er bedeutete auch, dass wir uns noch mehr darauf konzentrieren konnten, das Album so zu machen, wie wir es haben wollten, was in diesem Sinne auch nicht schlecht war.

Wann habt ihr mit der Arbeit an diesem Mammutprojekt begonnen und wie seid ihr an dieses Konzeptalbum herangegangen? Handelt es sich um vier in sich abgeschlossene Werke, oder seht ihr „IIII“ als ein langes Album, das für die physische Veröffentlichung auf vier LPs beziehungsweise zwei CDs aufgeteilt werden musste?
Die Idee des konzeptionellen Doppelalbums kam uns etwa 2018 nach der Fertigstellung von „Vemod“, als die Arbeit an der Komposition des gesamten Materials in gewisser Weise etwas ermüdend geworden war, und wir wollten im Vertrauen darauf arbeiten, dass jeder von uns als Komponist ausreichend gereift ist, um eigenständig SOLBRUD-Material zu erarbeiten, während die anderen der Vision und Richtung des jeweiligen Komponisten folgen würden. Nun ist ‚IIII‘ tatsächlich eher wie vier einzelne elementare Teile, die ein Ganzes ergeben. Das Album sollte also als ein kohärentes Werk betrachtet werden, das sich jedoch an ganz unterschiedliche Orte und Geschichten innerhalb einer erweiterten SOLBRUD-Klangwelt wagt.

Stilistisch habt ihr ganz andere Bereiche erkundet als alles, was ihr bisher gemacht habt. Wie kam es dazu, war das euer erklärtes Ziel, oder hat sich das während des Songwriting-Prozesses ergeben?
Die Erweiterung der Klanglandschaft und des Stils ist vor allem eine natürliche Folge davon, dass wir die Musik nicht mehr kollektiv filtern, was bedeutet, dass wir viel freier so komponieren und arrangieren können, wie es sich jeder von uns vorstellt – eine ziemlich befreiende Sache, nachdem wir zehn Jahre lang alles zusammen geschrieben haben und uns im Grunde über alles einig werden mussten.

Bei so viel neuem Material steht ihr wahrscheinlich auch vor einem Problem für kommende Konzerte – wie repräsentiert ihr ein so umfangreiches Album? Werdet ihr in Zukunft nur noch neue Songs spielen?
Beim Release-Konzert werden wir das Album in seiner Gesamtheit spielen, aber das wird wohl das einzige Mal sein, dass wir das tun. Bei den folgenden Konzerten werden wir wahrscheinlich versuchen, eine gute Mischung aus allem Alten und Neuen zu spielen, wobei der Schwerpunkt darauf liegt, Highlights des neuen Albums und einige Klassiker aus der früheren Diskografie zu präsentieren.

Stehen irgendwelche Shows an, oder gibt es eine Chance, euch in Deutschland live zu sehen?
Ja, eine ganze Reihe. Wir haben die einmalige Gelegenheit, ‚IIII‘ bei einem Release-Konzert in der renommierten DR Concert Hall in Kopenhagen am 10. Februar vorzustellen. Im März touren wir durch die restlichen großen Städte Dänemarks – Aarhus, Aalborg und Odense und Ende März spielen wir beim Culthe Fest in Münster. Hoffentlich werden nach der Veröffentlichung von ‚IIII‘ weitere gute Shows folgen.

Vielen Dank für deine Zeit und deine Antworten. Zum Schluss noch ein kurzes Brainstorming:
Black Metal: Sturm, Trance der Finsternis
Wanderer: The Wanderer
Königin Margrethe II: Ehemalige Königin und Regentin
Streaming: Eine nützliche Methode zur Verbreitung von Musik, die hoffentlich eines Tages den Künstlern mehr zugute kommt, und zwar besser früher als später.
Vinyl: Schwarze Freude der Unendlichkeit
SOLBRUD in 10 Jahren: Auf dem Höhepunkt unseres Könnens, vor allem gute Freunde, mit einer Handvoll weiterer guter Alben im Regal.

Publiziert am von

Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert