Festivalbericht: Party.San Metal Open Air 2019

08.08.2019 - 10.08.2019 Schlotheim

25 Jahre und kein bisschen leise: Das PARTY.SAN METAL OPEN AIR wird im Jahr 2019 ein Vierteljahrhundert alt. Doch das PARTY.SAN wäre nicht das PARTY.SAN, kämen die Veranstalter nun mit riesigem Tamtam um die Ecke. Stattdessen unterscheidet sich die Jubiläumsausgabe nicht von den Festivals der Vorjahre. Geboten werden auf dem Flugplatz Obermehler-Schlotheim, wo die Veranstaltung nun schon seit acht Jahren stattfindet, wie gewohnt drei Tage voller Metal, vorwiegend aus den extremen Bereichen. Dazu gibt’s Tonträger und Merchandise, Essen und Trinken, aber kein Volksfest. Im Mittelpunkt stehen 51 Bands, ihre Fans und die entspannte Atmosphäre. Das kommt an: Auch diesmal sind zwischen 8000 und 9000 Besucher angereist. Wer sich im Szene-Underground bewegt, sieht hier viele bekannte Gesichter.

Donnerstag, 8. August

Zu einem psychedelischen Intro betreten um 14.30 Uhr die dänischen Jungspunde von SLAEGT als erste Band die Bühne. Mit ihrer energetischen Stil-Mixtur aus Black-, Death- und klassischem Heavy Metal ist die Gruppe ein idealer Opener für ein Festival wie das PARTY.SAN, zumal es die Musiker verstehen, die große Bühne mit ihrem Charisma einzunehmen, als würden sie in einem kleinen Club spielen. Sie wirbeln herum, werfen der Menge grimmige Blicke zu. Die tight zusammenspielende Gitarrenfraktion beschwört dabei gar Tipton/Downing-Vibes herauf. Verdientermaßen befindet sich bereits zu solch früher Stunde eine beachtliche Menschenmenge vor der Bühne. Wäre da nur nicht der vor allem zu Beginn des Auftritts miserable Sound, der einem die Freude an dem ansonsten mehr als gelungenen Gig doch etwas verleidet: Alles kommt viel zu höhenlastig, undifferenziert und mit gelegentlichen Aussetzern aus den Boxen. Schade drum.

Spätestens beim Auftritt von RUNEMAGICK sind die Soundprobleme glücklicherweise passé. So machen die Schweden, allerdings vor deutlich weniger Publikum, eine gute Figur mit ihrem walzenden, doomigen Death Metal. Ab und zu darf auch mal etwas Melodie aufblitzen. Eher verhalten bleibt der Publikumszuspruch auch bei SKYFORGER, die sich mit melodischem Black Metal und einem Schuss Folklore der Geschichte der baltischen Völker annehmen. Geboten wird dabei rasendes Tremolo-Picking genauso wie episches Midtempo und Flötenklänge aus der Konserve. Ihren Auftritt beendet die Band mit einem Cover des Running-Wild-Klassikers „Raw Ride“. Ein „tribute to German Heavy Metal“, der der Gruppe Sympathiepunkte einbringt und erste Fäuste in die Höhe treibt.

Die Zeltbühne entjungfern diesmal die spanischen Schwarzmetaller von BALMOG, die sich stilistisch irgendwo zwischen den Frühwerken Watains und diversen jungen Isländern einsortieren lassen. Optisch gibt es stilecht schwarzes Leder, Jeans und rot-schwarze Kriegsbemalung zu sehen. Musikalisch bietet die Gruppe ihren Black Metal, der mehr Wert auf Morbidität als auf klirrendes Rasen legt, kompetent, gut eingespielt und mit der richtigen Portion Wahnsinn dar. Die Band fügt sich gut ein in das, worauf der Subgenre-Underground derzeit steht. Und so dürfte man von diesen Jungs in nächster Zeit wohl öfter hören.

Die Death-Metaller von INCANTATION haben sich ihre Meriten hingegen längst erworben: Auf der PARTY.SAN-Hauptbühne feiern sie ihr 30. Jubiläum und bescheren dem Festival ein erstes Highlight in Sachen Todesblei. Fronter John McEntee, mittlerweile ein weißbärtiger Altmeister, hat dafür einen Querschnitt der Bandhistorie zusammengestellt, wobei der Schwerpunkt auf Nummern des Klassikers „Onward To Golgotha“ liegt. Der Headbang-Faktor ist dabei konstant hoch, die Darbietung der Musiker zugleich präzise und drückend schwer. Mit einem solchen Auftritt gelingt es, so manch junge Kombo in die Schranken zu weisen. So bleibt etwa der unmittelbar folgende Gig der Brutalo-Deather von DEVANGELIC auf der Zeltbühne im Vergleich als eher blass im Gedächtnis. Die Musiker verschwinden auf der eher spärtlich ausgeleuchteten Bühne hinter ihrer eigenen technisch anspruchsvollen Soundwand. Ausgewiesene Genre-Fans dürften bei dieser Schlachtplatte dennoch auf ihre Kosten kommen.

Wer in seinem Metal mehr melodische Widerhaken braucht, dürfte dafür seine Freude an SOILWORK haben, die nun zu atmosphärischem Gewaber die Mainstage betreten. Was folgt, ist eine erwartungsgemäß hoch professionelle Dreiviertelstunde Melo-Death, in dem die Keyboards nicht viel weniger Raum einnehmen als die Doublebass. Das trifft sicher nicht den Massengeschmack der anwesenden Knüppelfreaks, überrascht aber dennoch positiv – was nicht zuletzt der beachtenswerten  Bühnenpräsenz von Frontmann Björn Strid zu verdanken ist. Der bemüht sich redlich, beim PARTY.SAN-Debüt seiner Band Stimmung aufkommen zu lassen. Und tatsächlich gehen auf seine Aufforderung hin zahlreiche Fäuste in die Luft, in den ersten Reihen wird geheadbangt und mit Ansagen der Marke „I can’t fucking hear you“ ist die Menge sogar zum Schreien zu bewegen. Zudem entwickeln gerade die Nummern des neuesten Albums „Verkligheten“, etwa „Full Moon Shoals“ und „Stålfågel“, live noch mehr Biss als auf Platte, sodass die Show insgesamt nicht zu glatt gerät. Da bleibt der Gruppe nur, sich für die Gastfreundschaft der PARTY.SANen zu bedanken.

 

Auf der Tent-Stage entfesseln die Dänen von TAPHOS dann mit ihrem angeschwärzten Death einen regelrechten Mahlstrom. Ihr Auftritt darf mit Fug und Recht als erstes Highlight des Tages gelten. Die Band präsentiert sich als tolle Einheit: Das Zusammenspiel wirkt wie verschweißt und vernietet. Ab und zu fügen beinahe klagende Leadgitarren dem musikalischen Bollwerk interessante Akzente hinzu. Auch optisch wirken die Musiker in Jeans und Leder herrlich vintage. Und die Songs kommen zur Not sogar ohne Bass aus: Der Bassist nämlich verliert während eines Songs den Gurt. Das jedoch verleiht dem Frontmann, der sonst an sein Instrument gebunden ist, nur noch mehr Freiheit zur Perfomance, die er auch sichtlich gerne nutzt. Zusammen entfaltet all das ein ungeahntes Charisma.

Black Metal in reiner Form steht anschließend mit CRAFT auf dem Programm. Und damit ist auch erstmal Schluss mit Allerweltslook: Frontschreier Nox steht mit Corpsepaint und Killernieten-Armbändern auf der Bühne und wendet den zahlreich erschienenen Zuschauern während Instrumentalparts und Applaus auch schon mal den Rücken zu. Dabei ist der punkig angehauchte, monotone Black Metal, der aus den Lautsprechern dringt, doch überhaupt nicht allzu introvertiert. Vielmehr prescht das Material der Gruppe straight vorwärts. Das jedoch könnte einer der Gründe dafür sein, weshalb sich der Gig relativ schnell tot läuft, nicht wirklich auf den Punkt kommt und so eher zerfahren wirkt. Die bedrohliche Magie, die eine gute Black-Metal-Show ausmacht, möchte nicht so recht aufkommen. Die Zeltbühne bleibt unterdessen ihrer Death-Metal-lastigen Ausrichtung treu: NERVO CHAOS liefern hier eine im Vergleich zu einer Band wie TAPHOS eher klinische Dampfwalze ab, die auch gerne mal im Midtempo vorwärts rollen darf und sogar ab und an in zahflüssigen Lava-Death-Doom abgleitet.

ASCENSION demonstrieren anschließend auf der großen Bühne eindrucksvoll, wie man das mit dem Black Metal atmosphärisch richtig hinbekommt. Dabei kommt der Gruppe auch die einsetzende Dunkelheit zupass. Im dichten Bühnennebel sind die Musiker und das ganze Drumherum kaum zu sehen, was angesichts der optisch ansprechenden Bühnenaufbauten samt knochenbehangenem Mikroständer fast schon schade, der mystischen Aura jedoch sehr zuträglich ist. Der Frontmann keift seine Ansagen beschwörerisch und das Publikum lässt sich gerne in den okkulten Strudel ziehen, den Nummern wie „Thalassophobia“ vom neuesten Album „Under Ether“ genauso unbarmherzig wirbeln lassen wie die älteren Nummern. Der tolle transparente Sound lässt dabei die musikalischen Finessen der sich ein ums andere Mal windenden Songs klar zutage treten. Wer die Gruppe bereits in einem kleinen Club erlebt hat, wird zwar nicht um die Feststellung umhinkommen, dass die Stärken ASCENSIONs dort noch eine Spur eindrucksvoller rüberkommen. Nichtsdestotrotz: Was die Gruppe hier abliefert, ist so eindrucksvoll, wie es im gebotenen Rahmen nur sein kann.

Doch zurück zum Death Metal: Nachdem BEHEADED das Zeltbühnenprogramm mit technischem Gemetzel abgeschlossen haben, folgt auf der Mainstage der Gig von BELPHEGOR, die die aufwändigste Bühnenproduktion des Tages auffahren: Aufbauten mit Knochen und umgedrehten Kreuzen sind da nur die Spitze des Eisbergs, denn erstmals kommen auch die Pyros zum Einsatz – und das nicht zu knapp. Der Sound ist modern und vergleichsweise steril, während zum Beispiel Orchestersamples eine düster-bedrohliche Stimmung heraufbeschwören. Wenn Bandkopf Helmuth im Blast-Gewitter die Arme ausbreitet und „PARTY.SAN! Deutschland!“ ruft, wirkt er wie ein Hohepriester, der sein Reich des großspurigen Sadomaso-Extremmetalls ausruft. Neben drei Songs vom aktuellen Album „Totenritual“ präsentiert die Band auch Nummern wie „Conjuring The Dead“ und „Belphegor – Hell’s Ambassador“, bei denen die Gruppe zu Höchstform aufläuft. Über mangelnden Unterhaltungswert kann sich hier niemand beklagen.

Das gilt auch für TRIUMPH OF DEATH, das Tributeprojekt, mit dem Tom G. Warrior die alten, wegbereitenden Klassiker seiner Frühband HELLHAMMER wieder auf die Bühne bringt. Viel Spaß scheint er daran zu haben, das beinahe punkig-rohe Material mit neuem Leben zu füllen: So gelöst wirkte die Metal-Ikone auf der Bühne lange nicht. Warrior lädt seine Mitmusiker zum gemeinsamen Posen ein, stichelt das Publikum dazu an, mit ihm sein berühmtes „Uggggh“ zu intonieren, ruft: „Wir lieben euch!“. Und das beruht auf Gegenseitigkeit. Während über dem am Bühnenrand aufgebauten Flakgeschütz „Esmiralda“ ein fahler Mond vom Nachthimmel scheint, bringen Klassiker wie „Blood Insanity“, „Cruxifiction“, „Reaper“ und das erst mit Celtic Frost aufgenommene „Visions Of Mortality“ Tausende Köpfe zum Bangen. Da steckt tonnenweise bitterböser, galliger Rock’n’Roll drin. Der Umstand, dass es sich bei den beteiligten Musikern abgesehen von Warrior selbst um „Frischfleisch“ handelt, das an der Entstehung der Songs nicht beteiligt war, entpuppt sich dabei nicht als fauler Kompromiss, sondern als echter Gewinn: Die Gruppe ist jung und hungrig, belebt das Material mit modernem Schmackes und bewegt sich zugleich näher am wilden Spirit der Originale, als es jedes halbherzige Altmitglied jemals könnte. Kein Vergleich etwa zur laschen, eher peinlichen Show von Venom, die im Vorjahr einen Headliner-Slot auf dem PARTY.SAN innehatten. Warrior zeigt Cronos mit dem kleinen Finger, wo der (Hell)hammer hängt.

Toppen können HYPOCRISY als Headliner die Euphorie von TRIUMPH OF DEATH unmöglich. Einen mehr als soliden Auftritt legt Peter Tätgren mit seiner Mannschaft dennoch hin. Die Band betritt mit etwa 20-minütiger Verspätung die Bühne und legt mit „Fractured Millenium“ von der selbstbetitelten Scheibe vor industriell anmutender Bühnenkulisse los. „Are you ready?“, fragt Tätgren seine Zuhörer. Und ja, die sind ready. Altes Material („Apocalypse“, „The Fourth Dimension“) nehmen sie ebenso dankbar auf wie neuere Nummern („End Of Disclosure“). Überhaupt ist die Setlist gut durchmischt. „I feel like we are the softest band on the bill“, scherzt der Fronter. Damit mag er von der Wahrheit nicht allzu weit entfernt liegen. Und doch besitzt die Darbietung genügend Power, um sogar einen kleinen Pit heraufzubeschwören. Mit „Roswell 47“ geht ein würdevoller Auftritt einer verdienten Gruppe zuende – und mit ihm der erste Festivaltag. Wer sich noch nicht auf den Zeltplatz zurückziehen möchte, kann im Zelt wie immer noch einige Stunden weiterfeiern.

Freitag, 9. August

Wenn vor der PARTY.SAN-Mainstage plötzlich Klobürsten, Pömpel, Gummipuppen, Luftmatratzen, Ballons und Frisbees auftauchen, dann ist es garantiert Freitagmorgen – und damit Zeit für das alljährliche Grindcore-Frühstück. Wenn sich dann noch so mancher Besucher zu dem altbekannten Wortspiel „Guta Lax, schlechta Lax“ hinreißen lässt, ist selbst dem letzten verkaterten Running-Order-Unkundigen klar, wer gleich auf der Bühne steht: GUTALAX, die Meister der Scheiße. Deren Auftritt beginnt mit den Klängen von „Funky Town“. Dann legen die Tschechen unvermittelt los mit ihrem Grindcore, der angesichts der heftigen Höllenkröten-Vocals unverwechselbar ist. Das lockt um 12 Uhr bereits viele Menschen vor die Bühne, die sichtlich Spaß haben an den tighten Grooves der Männer mit den Plastik-Schutzanzügen. Dennoch: Seit jeher ist GUTALAX eine Band, die polarisiert. Einerseits sind in den hinteren Reihen und an den Merch-Zelten Aussagen wie „Exakt zwei Minuten ist das lustig“ zu hören, andererseits finden die Shirts der Gruppe nach dem Auftritt offenkundig reißenden Absatz. Zumindest sind fortan recht viele Besucher mit einem entsprechenden Laibchen unterwegs. Brutal geht es auch bei DEFEATED SANITY zu, deren Musik sich irgendwo zwischen brutalem Death Metal und Deathcore bewegt, allerdings deutlich ernsthafter daherkommt als die von GUTALAX. Was die US-Amerikaner zu Gehör bringen, ist eine solide, kompetent dargebotene Dampfwalze mit abgrundtiefen Growls.

Ein relativ großer Name steht mit THE CROWN schon früh auf dem Programm. Mit ihrem aktuellen Album „Cobra Speed Venom“ zeigte sich die Gruppe nach einer Reihe eher mittelmäßiger Scheiben deutlich wiedererstarkt. Dementsprechend durfte man gespannt sein, wie sich die Band nun auf der Bühne präsentieren würde. Doch enttäuscht dürfte dieser Auftritt niemanden haben. Los geht es gleich mit „Deathexplosion“, dem Opener des Überalbums „Deathrace King“. Mit „Executioner (Slayer Of The Light)“, „Blitzkrieg Witchcraft“ und, ganz zum Schluss, „Total Satan“, finden weitere Nummern dieser Scheibe ihren Weg auf die Setlist. Die neueste Platte ist mit „In The Name Of Death“ und „Iron Crown“ vertreten. Das alles kommt mit messerscharfer Gitarrenarbeit, Highspeed-Blasts und einem überaus agilen Frontmann daher. Im Bereich des blitzschnellen Schweden-Death ist mit THE CROWN definitiv wieder zu rechnen.

Alte Haudegen des Epic Metal sind mit SOLSTICE am Start. Auf schmuckloser Bühne ohne Backdrop startet die Gruppe mit „White Horse Hill“, dem Titelsong ihres aktuellen Albums, in ihr Set. Großes Brimborium haben diese Mannen schon wegen ihres starken Songmaterials nicht nötig. Von Anfang an singen die Die-Hard-Fans vor der Bühne die Texte mit – auch wenn die Zuschauermenge besonders zu Beginn ruhig noch etwas größer hätte sein dürfen. Während sich die Saitenfraktion um Bandgründer Rich Walker als Ruhepol der Show erweist, ist Sänger Felipe der Aktivposten. Ihn hat sich die Band nach dem Ausstieg ihres Fronters Paul Kearns von Procession ausgeliehen. Mit seinem SOLSTICE-Patch auf der Lederweste ist er wohl selbst der größte Fan der Gruppe. Und das merkt man seiner so stimmstarken wie enthusiastischen Performance in jeder Sekunde an. Dass sich die Instrumentalisten nicht immer als perfekt eingespielt erweisen, die Band verpatzt den Anfang von „To Sol A Thane“, ist da fast schon geschenkt und geht als Zeichen von Authentizität durch. Auch die Setlist begeistert angesichts von Epen wie „Death’s Crown Is Victory“, „The Sleeping Tyrant“ und – natürlich – „Cimmerian Codex“.

Wer eher auf den groben Knüppel abfährt, kommt beim Gig von MIDNIGHT auf seine Kosten. Nach unheilschwangerem Glockengeläut gibt die Gruppe, typisch vermummt, Vollgas. Tom-Warrior-„Ugggghs“ reichern den treibenden, stets etwas punkigen Black’n’Roll der US-Amerikaner an, wodurch sogleich Erinnerungen an den Auftritt von TRIUMPH OF DEATH am Vorabend aufkommen. Ein Song wie „Satanic Royalty“ ist schon jetzt ein Gassenhauer. Dementsprechend lassen sich die Fans gerne zum Mitgröhlen hinreißen. Gitarren-Feedback beendet denn Gig so räudig, wie er begonnen hat. Vom Auftritt KRISIUNs bleibt hingegen wenig im Gedächtnis. Sicher, die Band zockt ihre Nummern grundsolide und absolut professionell runter. Doch letztlich bleibt sie auf dem PARTY.SAN nur ein  Death-Metal-Act von vielen. Etwas Stimmung kommt ausgerechnet beim Motörhead-Cover „Ace Of Spades“ auf. Death Metal bekommt so manche junge Band auf der Zeltbühne an diesem Wochenende mitreißender hin.

Dort eröffnen die deutschen Underground-Thrasher von TRAITOR nun das Programm und legen einen herrlich oldschooligen, gut besuchten Gig hin, der so manches begeisterte Gesicht hinterlässt. Zu begeistern weiß heuer auch der obligatorische Folk-Metal-Act: Diesmal haben die Veranstalter die Russen von ARKONA in Boot geholt. Und die haben vielen ihrer Genre-Genossen etwas Entscheidendes voraus: Zwar eignen sich ihre Songs natürlich auch dazu, das Trinkhorn zu heben, doch ist ihnen zugleich eine Tiefe eigen, die den einschlägigen Saufcombos abgeht. Sängerin Marija Archipowa alias Masha Scream eröffnet den Auftritt hinter ihrem mit einem Tierschädel verzierten Mikroständer mit Ritualgesang und Perkussion nach Heilung-Manier. Dabei verströmt sie vor allem: unbändigen Wahnsinn. Ob sie wohl den in der ersten Hälfte des Sets fallenden Regen und die mittlerweile ganz schön frische Brise heraufbeschworen hat? Als dann Doublebass, kernige Gitarren, Flötenklänge und Dudelsack einsetzen, tobt die Blondine wie eine wild gewordene Nebelhexe. Da darf man selbst als ausgewiesener Folk-Metal-Skeptiker seine Meinung einmal revidieren.

Im Zelt geht es weiter mit den Death-Metal-Aufsteigern von NEKROVAULT. Hier kann so manche Genre-Größe in Sachen Leidenschaft in die Lehre gehen, denn die Memminger leben, was sie tun. Entsprechend viele Zuschauer zieht es vor die kleine Bühne. Dort gibt es, im positivsten Sinne des Wortes, eine regelrechte Wand aus angeschwärztem Todesblei zu erleben, der ab und zu in ranzig-doomige Gefilde hinüberschielt. Die Musiker auf der in kühles blau getauchten Bühne bilden dabei eine schier untrennbare Instrumental-Einheit. So ist es nicht verwunderlich, dass nach der Show alle verfügbaren Pommesgabeln nach oben gehen.

Eine Menge Spaß macht auch die Show von NIGHT DEMON. Hier kommen auch, obwohl es längst noch nicht dunkel ist, erstmals an diesem Freitag die Pyros zum Einsatz – und das nicht zu knapp. Beeindruckend ist, wie sehr sich die Gruppe nicht zuletzt durch permanentes Livespielen in den vergangenen Jahren in Sachen Größe und Qualität gesteigert hat: Lieferten die US-Amerikaner vor zwei Jahren noch einen hochklassigen Opener-Slot am frühen Donnerstagnachmittag ab, spielt sie nun einen Gig in der oberen Hälfte des Line-ups, der sich wahrlich gewaschen hat. Bei äußerst druckvollem, transparentem Sound und mit schwingenden Flying-Vs hauen die Jungs ihren Fans zukünftige Klassiker wie „Hallowed Ground“, „Satan“ und „Screams In The Night“ um die Ohren. Auch die Rockstar-Posen sitzen auf den Punkt. Ein zum Fäusterecken anregender Iron-Maiden-Galopp folgt auf den nächsten. Da ist es nur folgerichtig, dass gegen Ende des Sets der skelettartige NIGHT DEMON  ganz im Stil von Maidens Eddie auf die Bühne marschiert. Da kommt besonders in den ersten Reihen Euphorie auf und sogar die gut aufgelegten Security-Männer im Graben wippen mit. Wer sollte es ihnen verdenken?

Nach dem Auftritt der Slam-Death-Metaller von STILLBIRTH im Zelt demonstrieren die Griechen von ROTTING CHRIST auf der Mainstage, dass sie längst auf dem Zenit ihres Schaffens angekommen sind. Und dort verweilen sie seit Jahren. Zwar ist die Gruppe auf den Festivals dieser Welt momentan fast schon überpräsent, doch lassen sich Ermüdungserscheinungen weder vor noch auf der Bühne ausmachen. Die monoton-ritualistischen Bombast-Stampfer der neuesten drei Alben verfehlen besonders live ihre Wirkung nie. Das macht schon der großspurig angelegte Opener „Hallowed Be Thy Name“ (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Maiden-Song) deutlich. „King Of A Stellar War“, eine ältere Nummer von „Triarchy Of The Lost Lovers“, ist keinen Deut weniger effektiv. Und so kommt es, dass sich sogar ein Pit im Publikum bildet und eine ganze Reihe von Fans sich im Synchronheadbangen übt. Sakis Tolis und seine Mannschaft müssen dafür überhaupt nicht viel tun.  Überaus tightes Spiel und sympathisches Auftreten reichen hier völlig aus, um zu überzeugen. Beim letzten Song, „Grandis Spiritus Diavolos“, erreicht die Stimmung endgültig ihren Höhepunkt.

Danach bieten die Baden-Württemberger von FIRTAN im Zelt ihren deutschsprachigen Black Metal mit großer Geste dar. Allein schon der große Publikumszuspruch gibt dem guten Ruf der Gruppe recht, noch mehr aber die Performance, die eine mystisch-verklärte Atmosphäre erzeugt. Der gelegentliche Einsatz einer Violine ist dem überaus zuträglich. Die gefeierten Polen von MGLA kommen hingegen ohne derartiges Beiwerk aus. Nicht einmal strömender Regen kann deren Auftritt etwas anhaben. Stoisch, wie es dem nihilistischen Konzept der Band entspricht, in kalt anmutender Bühnenbeleuchtung und wie gewohnt vermummt entfesselt das Kollektiv den Mahlstrom. Der kommt durch die sich stets wiederholenden Riffs zustande, die jedoch dank ihrer schieren Qualität niemals langweilig, sondern stets maximal hypnotisch wirken.  Einmal mehr begeistert auch Drummer Darkside, der alle anderen Schlagzeuger auf dem PARTY.SAN in Sachen Musikalität locker in die Tasche steckt. Ein Traum, dass der ausgewogene Sound sein ausgeklügeltes Beckenspiel perfekt zur Geltung bringt. Der Schwerpunkt des 50-minütigen Gigs liegt auf dem Material der bis dato aktuellen Scheibe „Excercises In Futility“. Deren Eröffnungstrack erweist sich auch live als idealer Opener. Doch mit „Age Of Excuse II“ darf sich bereits ein neuer Song in die Setlist mogeln, den die Gruppe wenige Tage vor dem Festival im Stream vorgestellt hatte. Ein musikalischer Bruch ist dabei im Vergleich zum älteren Material nicht zu bemerken.  Ein Auftritt zum Versinken.

Während die Death-Thrasher von THANATOS im Zelt ordentlich losprügeln und damit auf der kleinen Bühne noch ein weiteres kleines Ausrufezeichen setzen, öffnet draußen der Himmel seine Schleusen vollends. Der Band beschert das natürlich ein entsprechend großes Publikum, das sich aber im hinteren Bereich vor allem beim einen oder anderen Bierchen festquatscht. Draußen entert derweil die Death-Metal-Legende DEICIDE die Bühne und kann von Glück reden, dass trotz des suboptimalen Wetters eine ansehnliche Menschentraube vor der Bühne verharrt. Immerhin kommen die Besucher des PARTY.SAN überhaupt in den Genuss eines Auftritts der Mannschaft um Glen Benton: Ihren Auftritt auf dem Brutal Assault Festival in Tschechien musste die Band am Vortag wegen eines verpassten Flugs absagen. Doch in Schlotheim stehen die Musiker pünktlich auf den Brettern und machen keine Gefangenen. Bei gewohnt toller Lichtshow präsentieren sich die Amerikaner als formidable Groove-Maschine. Der streitbare Benton ist heute vergleichsweise agil. Ihm gelingen die abgrundtiefen Growls ebenso wie einige fiese höhere Screams. Und wer möchte sich schon über Nässe beschweren, wenn Klassiker wie „Once Upon The Cross“ und „Sacrificial Suicide“ aus den Boxen schallen?

„Let’s fuck the rain“, ruft TESTAMENT-Frontmann Chuck Billy aus. Und tatsächlich hat der Himmel pünktlich zum Auftritt seiner Bay-Area-Thrash-Legende ein Einsehen. Einer mehr als würdigen Headliner-Show kann also nichts mehr entgegenstehen. Bereits mit dem Opener „Brotherhood Of The Snake“ präsentiert sich die Gruppe schlagkräftig wie eh und je. Obersympath Chuck Billy hat sichtlich Spaß daran, mit seinem verkürzten Mikroständer Luftgitarre zu spielen, während Alex Skolnick auf dem echten Sechssaiter ein begeisterndes Solo nach dem nächsten zockt. Der Rest der Band ist ein gut geöltes Uhrwerk, das zu all dem einen knallhart-effektiven Rahmen liefert. Die Setlist ist gut durchmischt:  Flotte Thrash-Klassiker wie „Over The Wall“ und „Disciples Of The Watch“ begeistern genauso wie melodischeres Material (etwa „Practice What You Preach“ und „Electric Crown“ vom sträflich unterbewerteten Album „The Ritual“). Beim obligatorischen „Into The Pit“ irgendwo in der Mitte des Sets bildet sich ein solcher und von da an ist die Masse in Bewegung. Müde ist diese Band auch im 36. Jahr ihres Bestehens nicht. Im Gegenteil: So mancher Big-Four-Act kann sich hier in Sachen Leidenschaft, Musikalität und Authentizität eine dicke Scheibe abschneiden.

Samstag, 10. August

 

Dass es sich am Samstag lohnt, früh aufzustehen, hat auf dem PARTY.SAN Tradition: Um 10 Uhr steht die erste Band auf der Zeltbühne – und die hat es für gewöhnlich in sich. Diesmal sind es die Sondershausener Lokalmatadoren von BLACK MOOD, die beim Frühschoppen einheizen.  Ihr Sludge Metal kommt daher mit ordentlich Groove und dem sprichwörtlichen Arsch voll Leidenschaft. Bei von Anfang an herrlich drückendem Sound lässt sich vor der Bühne bereits eine beachtliche Menschenmenge auf den Tag einstimmen. Weiter geht es im Zelt mit GOAT EXPLOSION aus Leipzig, die sogar noch eine Schippe draufsetzen. Ihr Auftritt beginnt ruhig, bluesig, fast traurig mit Cleangitarre und Gesang, der zunächst an eine Mischung aus Patrick Walker (Warning, 40 Watt Sun) und Mat McNerney (Grave Pleasures, Hexvessel) denken lässt. Doch der erste Eindruck trügt: Nach einigen Minuten explodiert die Musik förmlich und die Jungs liefern ein wahres Brett aus oldschooligem Stoner Doom ab, der viel von Altmeistern wie Black Sabbath und Witchfinder General gelernt hat, zusätzlich aber auch modern groovt. Das ist Lavasound, der unter die Haut geht. Besonders positiv hervorzuheben: Der tolle, auch in den härteren Passagen sehr emotionale Gesang von Frontmann Basti.

Bevor es mit dem Programm auf der Hauptbühne losgehen kann, schickt der Veranstalter eine Warnung vor starkem Wind voraus. Tatsächlich weht es heftig, und wer keine böse Überraschung erleben möchte, tut gut daran, die Befestigung seines Zeltes noch einmal zu checken. Ein orkanartiger Sturm wie im vergangenen Jahr bleibt dem PARTY.SAN diesmal jedoch glücklicherweise erspart. So können die Slam-Death-Metaller von VULVODYNIA pünktlich um 12 Uhr die Mainstage entern. Angesichts seiner Herkunft aus Südafrika genießt der Fünfer einen gewissen Exotenbonus. Nötig hat er den aber kaum: Die Jungs machen ihren Job ordentlich. Was aus den Boxen dringt ist Gewalt hoch Hundert, allerdings wenig abwechslungsreich. Zwischen den Songs sind Samples mit wehklagenden Damen und tiefer Krümelmonster-Mörderstimme zu hören. Schwer okay. Nicht mehr, aber ganz sicher auch nicht weniger.

Pünktlich zum Auftritt der isländischen Black Metaller von SVARTIDAUÐI kommt die Sonne raus – und damit zum falschen Zeitpunkt. Als wäre die frühe Spielzeit (12.45 Uhr) nicht ohnehin schon eine Herausforderung für die finsteren Genossen, deren kakophonisches Gebräu seine Wirkung wohl am besten des Nachts bei Fackelschein in den Tiefen einer Höhle entfalten würde. Ihrem noch etwas müden Publikum schleudern die Musiker herausfordernde Dissonanzen entgegen. Eine Musik, die eigentlich prädestiniert dafür wäre, in einem undifferenzierten Soundbrei unterzugehen. Nicht so auf dem PARTY.SAN: Der herrlich transparente Klang lässt die feinen Nuancen im Chaos klar hervortreten. Optisch strahlt der rußgeschwärzte Frontmann Sturla, oft ein wenig mackerhaft einen Fuß auf der Monitorbox abgestellt, genau diese Mischung aus Wahnsinn und Stärke aus, die auch den Klängen seiner Band zueigen ist.

Deutlich abgehtauglicher präsentieren sich die US-Death-Metaller von JUNGLE ROT. Deren Frontmann sieht sich im Laufe des Auftritts wiederholt dazu bemüßigt, zu betonen, worum es ihm und seiner Mannschaft geht: „Oldschool motherfuckers!“ Jawohl, trifft zu. Im Stil von Gruppen wie Bolt Thrower und Obituary groovt ein Song nach dem anderen straight durchs Gestrüpp nach vorne. Die 1992 gegründete Band klingt dabei in Sachen Energie deutlich jünger, als sie tatsächlich ist. Kein Wunder, dass bei dieser Show viele Haare fliegen.

Ein ähnliches Energielevel halten auch die Thrasher der SUICIDAL ANGELS aufrecht, die pünktlich zum PARTY.SAN mit einem neuen Album am Start sind. Dementsprechend enthusiastisch tritt die Gruppe auf, die in Schlotheim den einen oder anderen neuen Song erstmals live austestet. Musikalisch ist alles beim Alten: Zwischen Thrash-Knüpplern, die von Exodus und Slayer viel gelernt haben, blitzen immer wieder klassische Twin-Gitarren auf, die dem Material erst die Krone aufsetzen. Ein spaßiger Auftritt für Genre-Liebhaber, der dementsprechend viel wohlwollende Resonanz erhält.

Das wohl fieseste todesmetallische Gebräu fährt das PARTY.SAN in diesem Jahr mit VOMITORY auf. Zu melancholischer Klassik betreten die Schweden die Bühne, nur um dann umso unbarmherziger loszuholzen. Das ist stumpf, lässt nicht einen Ansatz von Melodie zu, auch in Sachen Stageacting passiert nicht viel – ihre Fans findet die kompromisslos dargebotene Brutalo-Kost natürlich trotzdem.

Mit einer eher mittelmäßigen Zuschauerzahl müssen sich die Heavy-Metal-Urgesteine von SATAN bei ihrem PARTY.SAN-Debüt zufriedengeben. Überhaupt sind die Rahmenbedingungen des Auftritts alles andere als perfekt: Gitarrist Steve Ramsey kann wegen einer Verletzung nicht mit auf der Bühne stehen. Die Gruppe muss sich also mit nur einer Gitarre arrangieren, was zwar relativ souverän gelingt, aber trotzdem eine ungewohnte Leere im Sound hinterlässt. Frontmann Brian Ross macht das zumindest teilweise mit viel Sympathie, launigen Ansagen und virtuosem Vibrato in der Stimme wieder wett. Außerdem gibt es ja auch noch Russ Tippins‘ flitzefingerige, auf einer roten Stratocaster dargebotene Griffbrett-Eskapaden.

Danach kehrt das Line-up sofort zurück zum Oldschool-Death. Zuerst mit CARNAL TOMB im Zelt, dann mit IMMOLATION auf der Mainstage. Einmal Newcomer, einmal alte Hasen. Zweimal Auftritte, an denen es kaum etwas auszusetzen gibt. Aber: Zu viel einer guten Sachen läuft sich bekanntlich schnell tot. Und das ist hier der Fall – gerade in Anbetracht der Tatsache, dass auch der Auftritt von VOMITORY noch nicht allzu lange zurückliegt. Zu viel US-amerikanisch geprägtes, eher grobschlächtiges Gegrunze wird schnell zu einem Einheitsbrei, aus dem es für die einzelne Band schwierig wird, besonders herauszustechen. Da bieten die Jungs von DAMNATION DEFACED im Zelt willkommene Abwechslung: Sie gehen das Death-Metal-Genre melodischer, verspielter, epischer an, ohne dabei an Brutalität einzubüßen. Starker Auftritt.

Riff-Gewalt, die auf den Punkt kommt, gibt es bei den Thrash-Altmeistern von DESTRUCTION. Die Viererbesetzung mit Damir Eskić an der zweiten Gitarre hat sich inzwischen gut eingespielt und mit „Born To Perish“ einen Tag vor dem PARTY.SAN-Auftritt ein neues Album auf den Markt gebracht.  So kommt es, dass laut Schmier zum Beispiel der Titelsong in Schlotheim seine Live-Weltpremiere feiert. Aus dem Rahmen fällt er selbst eingerahmt von Klassikern wie dem schon früh in der Setlist verbratenenen „Curse The Gods“, „Nailed To The Cross“, „Life Without Sense“ und „Mad Butcher“ nicht. Dazu gibts sporadisch eingesetzte Pyros. Schmier ist gut aufgelegt, krächzt sich die Seele aus dem Leib und zeigt sich sehr angetan vom Publikum: „Ihr seid die Szene! Nicht die Plattenfirmen, nicht die Journalisten. Ihr!“

Beim Auftritt der Dänen von UNDERGANG ist stumpf dann tatsächlich mal trumpf: Die RIffs bleiben simpel, sind dafür aber umso effektiver. Die Musik selbst bewegt sich zwischen Death-Frontalangriffen, angeschwärztem Geschrote und Ekel-Doom der aller räudigsten Sorte. Variation kommt vor allem durch das gekonnte Schlagzeugspiel zustande. Beim Betrachten der Saitenfraktion nimmt es einen ab und zu sehr Wunder, wie es möglich ist, bei so viel Propeller-Banging noch so akkurat zu spielen. Diese Band ist eine menschenfressende Maschine, der man sich gerne in den Rachen wirft, ihr Gig ein Klang gewordener Blutsabbat mit viel Eiter und Galle.

Endlich kommen vor der Hauptbühne auch die Black-Metal-Fans wieder mehr auf ihre Kosten: Der Auftritt der Schweden von NAGLFAR steht auf dem Programm. Die überzeugen von der ersten Minute an mit starker Bühnenpräsenz, wobei sich vor allem Fronter Kristoffer W. Olivius als Kraftpaket und großer Charismatiker entpuppt. Die Band findet die richtige Balance zwischen Melodie und Härte, Melancholie und Aggression. Nummern wie „And The World Shall Be Your Grave“ und „The Perpetual Horrors“ sind daher der ideale Soundtrack zur langsam hinter den umliegenden Hügeln untergehenden Sonne. Das sieht auch das zahlreich erschienene Publikum so und frisst der Gruppe bei ihrem nunmehr fünften PARTY.SAN-Auftritt sprichwörtlich aus der Hand. Kein Wunder also, dass Olivius die Sause auf dem Schlotheimer Flugplatz als „the best festival in Germany“ beschreibt.

Auch der anschließende Gig der Slowaken von MALOKARPATAN darf als eines der Festivalhighlights gelten: Ihre bierseligen Nummern über die geheimnisvolle Folklore ihrer Heimat versprüht puren Rock’n’Roll-Spirit. Da ist Black Metal drin, Punk, alter Heavy Metal und sogar ein bisschen Thrash.  Kurze, zurückgenommenere, mystische Zwischenparts steigern die schratige Atmosphäre ins Unermessliche. Osteuropäische Kauzigkeit trifft auf nonchalante Scheißegal-Attitüde, was sich nicht zuletzt in der Sonnenbrille manifestiert, die der Frontmann auch auf der abendlichen Zeltbühne partout nicht absetzt. Die Band ist wie gemacht für einen späten Slot auf der kleinen Stage. Dementsprechend euphorisch reagiert die Menge, deren Bierdurst sich innerhalb dieses halbstündigen Abrisses mindestens verdoppelt haben dürfte.

Kaum weniger unterhaltsam, dafür aber deutlich glatter und moderner, geht es bei LEGION OF THE DAMNED zur Sache. Was die Holländer auf der großen Bühne abliefern, ist großes Death-Thrash-Kino, das mit viel Feuer und äußerst stimmungsvoller Lichtshow in der nun hereingebrochenen Dunkelheit große Wirkung entfaltet. Mit seiner energiegeladenen Performance demonstriert Shouter Maurice Swinkels, dass ein Fronter, der nicht an ein Instrument gebunden ist, ein wahrer Segen für eine Liveshow sein kann. Gekonnt gibt er den Anheizer und wird so zum Fixpunkt des Geschehens. Was nicht heißt, dass seine Kollegen an den Instrumenten einen Deut weniger hungrig und spielfreudig rüberkommen würden. Auch die Legion der Verdammten hat mit „Slaves Of The Shadow Realm“ unlängst ein neues Album veröffentlicht, dessen Nummern sich nahtlos in den Backkatalog einfügen. Letzterer ist mit Songs wie „Son Of The Jackal“, „Pray And Suffer“ und „Legion Of The Damned“ jedoch keineswegs unterrepräsentiert. Da  bleiben kaum Fan-Wünsche offen.

Die letzte Zeltbühnen-Band des diesjährigen PARTY.SAN hört auf den Namen DEATHRITE. Eindrucksvoll beweisen die Dresdner, dass sie mit ihrer neuesten Platte „Nightmares Reign“ keineswegs unverdient einen Deal mit dem zum Major avancierten Label „Century Media“ abgeluchst haben. Zwar fuhr das Album angesichts seiner etwas gemäßigteren Ausrichtung nicht nur positive Urteile von Fans und Kritikern ein, doch live gehören die Sachsen momentan mit Leichtigkeit zur Speerspitze des von der alten Schule geprägten Death-Metal-Fachs. Von Anfang an erwecken die Musiker den Eindruck, voll und ganz hinter dem zu stehen, was sie tun. Die Songs sind erfrischend dynamisch und abwechslungsreich, manches Gitarrensolo wirklich groß. Anlass zu klagen gibt es nicht im Geringsten. Das sehen wohl auch viele PARTY.SANen so, denn über mangelnden Zuspruch kann sich die Gruppe nicht beschweren. Am Ende geht sie umjubelt von der Bühne.

Die Isländer von SÓLSTAFIR sind dieser Tage sehr präsent auf den Bühnen der Welt. Auch auf dem PARTY.SAN dürfen sie diesmal nicht fehlen. Mit ihren post-rockigen Epen sind sie der Ruhepol des Festivals. Dementsprechend ist die Bühne hier zuweilen nicht – wie so oft – in aggressives Rot oder kaltes Blau gehüllt, sondern erstrahlt oft in weichem Lila. Anfangs flüchtet sich Aðalbjörn Tryggvasons in den höheren Passagen in eine recht dünne Kopfstimme, auch die Instrumentalperformance wirkt kurz ein wenig holprig, was auf Monitor-Probleme zurückzuführen sein dürfte. Doch das legt sich schnell, sodass Nummern wie das zackige „She Destroys Again“ und die Melancholie-Überhymne „Fjara“ in ihrem vollen emotionalen Glanz erstrahlen. Auch die Rockstar-Posen sitzen, was angesichts des Standings, das die Gruppe mittlerweile über die Metalszene hinaus besitzt, kaum verwundert. „Spread rock and metal, lautet das erklärte Ziel der Gruppe. Und tatsächlich wirkt sie trotz der vergleichsweise zurückhaltenden Klänge auch bei ihrem insgesamt vierten PARTY-SAN-Auftritt keineswegs fehl am Platz zwischen all dem Death, Black und Thrash. Während des vielbejubelten letzten Songs wagt sich Tryggvason für Handshakes an die Absperrung des Bühnengrabens vor. Das Konzert endet episch mit Feuersäulen.

Beim Intro der schwedischen Death-Metal-Supergroup BLOODBATH ist die Bühne dann passenderweise wieder in blutiges Rot gehüllt. Dass hier Mitglieder so großartiger Bands wie Paradise Lost und Katatonia auf der Bühne stehen, ist der Show sofort anzumerken. Vor der gefühlt größten Zuschauermenge des gesamten Festivals liefert die Gruppe einen Gig ab, der von Feuer nur so strotzt, musikalisch wie auch im Wortsinn. Das Set beginnt mit „Fleischmann“, dem Opener des aktuellen Albums „The Arrow Of Satan Is Drawn“. Bereits hier wirkt Nick Holmes mit seinen schwarz angeschminkten Augenringen, sonst bekanntlich die Stimme von Paradise Lost, wie in einen Jungbrunnen gefallen. So agil und enthusiastisch wirkte der Brite sowohl in Sachen Growls als auch in Sachen Performance seit den Anfangstagen seiner Stammband nicht.  Selbst altes Material wie „Brave New Hell“, einst eingegrunzt von Peter Tätgren, und „Breeding Death“, auf Platte veredelt von Mikael Åkerfeldt, gelingt. Dass Holmes offenbar einer Feuersäule kurz zu nahe kommt, nimmt er mit Humor: „It feels like being barbequed up here. I definitively lost an eyebrow and need a new passport-photo now. Feels kinda nice though.“ Die mit Kunstblut überströmte Saitenfraktion ergeht sich in schierer Riffpower und Live-Drummer Waltteri Väyrynen steht am Kit kaum hinter Opeths Martin Axenrot zurück, der im Studio den Platz hinterm Kit innehat. So ist es keine Überraschung, dass sich die Fans eine Zugabe einfordern – und sie auch bekommen. Damit geht das PARTY.SAN 2019 zu Ende. Auf dem Weg zum Campground hört man den einen oder anderen noch über BLOODBATH fachsimpeln. Tenor: „Das war jetzt saugeil.“

Never change a running system. Auch im Jahr 2019 präsentiert sich das PARTY.SAN METAL OPEN AIR so, wie es seine oft seit Jahren treuen Fans lieben: bodenständig und gut organisiert. Jede Band bekommt genügend Zeit, um ihr Talent unter Beweis zu stellen und so manch gefeierter Underground-Act darf sich zu einer attraktiven Uhrzeit auf der Hauptbühne präsentieren. Dabei ist der Sound – bis auf wenige Ausnahmen – überdurchschnittlich. Drei Euro für ein Bier (Pfand kommt noch hinzu) gehen mehr als in Ordnung. Auch die Security ist freundlich und hilfsbereit, was nicht überall selbstverständlich ist. Darüber hinaus erweist sich der Flugplatz Obermehler-Schlotheim ein ums andere Mal besonders bei Wetterkapriolen als ideales Veranstaltungsgelände: Größere Mengen an Schlamm bilden sich lediglich im Bereich der Zelteingänge. Direkt vor der Bühne ist die Fläche geteert, dahinter und auf dem Campground ist der sehr dichte, feste Boden ein wahrer Segen. Und so bleibt das PARTY.SAN weiterhin eine der ersten Anlaufstellen für Metalfans, denen es beim Besuch eines Festivals in erster Linie um die Musik und die Gemeinschaft geht, anstatt um das höchste Riesenrad, das dreckigste Schlammcatchen oder den kitschigsten Mittelalter-Wikinger-Fantasy-whatever-Markt. So soll es sein und so darf es auch bleiben.

Publiziert am von Nico Schwappacher

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