Review ASP – Kosmonautilus

Wenn eine Band verkündet, eine Pause vom Musikmachen einlegen zu wollen, muss man üblicherweise damit rechnen, über mehrere Jahre nichts mehr von ihr zu hören – wenn überhaupt noch. Die Gothic-Novel-Rocker ASP verstehen eine solche Ruhephase jedoch offenbar weniger als Winterschlaf, sondern vielmehr als Power-Nap. Gerade mal zwei Jahre nach ihrer 2017er Platte „zutiefst“ und dem darauffolgenden, temporären Abschied von ihren Fans, setzen die Deutschen ihren „Fremder-Zyklus“ mit dem vierten, „Kosmonautilus“ betitelten Teil fort. Selbst ohne eine dazwischen eingeschobene Pause könnten andere Bands auf einen derart zügigen Release-Rhythmus stolz sein, insbesondere im Hinblick darauf, dass ASP hiermit abermals opulente 80 Minuten an neuem Material präsentieren. Umso mehr stellt sich die Frage, ob die Truppe ihre vermeintliche, kreative Erschöpfung tatsächlich überwinden konnte.

Konzeptionell und musikalisch knüpft „Kosmonautilus“ nahtlos an „zutiefst“ an, sodass sich die klanglichen Experimente erneut in Grenzen halten und die Erzählung weiterhin in einem schaurigen Tiefsee-Setting angesiedelt ist. Die auf den ersten beiden Teilen des „Fremder-Zyklus“ noch verhältnismäßig deutlich kommunizierten Themen des Sich-fremd-Fühlens und der Isolation behandeln ASP auf ihrem zwölften Album nur noch im Subtext, sodass „Kosmonautilus“ weniger nach einer Studie dieser Empfindungen als vielmehr nach einer darauf aufgebauten Fantasy-Geschichte klingt. In jedem Fall gehört Frontmann Asps kreative Wortwahl, derer er sich bei der Beschreibung der von ihm erdachten gespenstischen Unterwasser-Szenerien bedient, auch diesmal ebenso zu den Stärken der Platte wie sein vielseitiger Gesang, der je nach Bedarf Dramatik, Sehnsucht, Erhabenheit, Melancholie und Tatendrang ausdrückt.

Nur vereinzelt verliert der Berufsexzentriker in seinem Storytelling ein wenig die Balance, etwa im allzu biederen Pre-Chorus des an sich sehr gefühlvollen „Abyssus 2 (Musik)“ oder im übertrieben schwülstigen Refrain von „Tritons Fall“, das ansonsten jedoch insofern tatsächlich durchaus imposant wirkt, als ASP darauf ihre bis dato doomigsten Gitarrenleads aus dem Hut zaubern. Im Übrigen scheint den Gothic-Novel-Rockern zwar noch das eine oder andere Überbleibsel des etwas unspektakulären Songwritings von „zutiefst“ nachzuhängen, insgesamt gibt es hier jedoch wieder mehr mitreißende Songs zu bestaunen.

Die schwächeren Nummern wie etwa die Mitsing-Single „Tintakel“ oder das anfangs noch lässig-bluesige, auf Dauer jedoch etwas zu seichte „Bones“ bilden glücklicherweise die Ausnahme. Insbesondere mit „Schatten eilen uns voraus“, in welchem verheißungsvolle Strophen auf einen schwermütig-getragenen Refrain treffen, der wehmütigen Akustik-Ballade „Liebes Licht“ mit ihren grazilen Streichern und dem energiegeladenen Titeltrack, dessen Hauptmelodie eine verblüffende, aber wohl unbeabsichtigte Ähnlichkeit zu Linked Horizons umhyptem Opening zu der Animeserie „Attack On Titan“ aufweist, haben ASP ein paar wahre Schätze aus den Untiefen ihres kreativen Ozeans gefischt.

So kurz die Auszeit, die ASP sich nach „zutiefst“ gönnten, ausgefallen ist, so geringfügig scheint auch deren Auswirkung auf das musikalische Schaffen der Band zu sein. Wer die Ikonen der schwarzen Szene vor allem für ihre theatralischen Vocals, ihre kräftigen, zum Teil im verwaschenen Gothic-Stil gespielten Gitarren, ihre simpel stampfenden Drums sowie ihre eiskalten Keyboards und Electro-Sounds schätzt und den bisherigen Teilen des „Fremder-Zyklus“ aufgeschlossen gegenübersteht, sollte auch mit „Kosmonautilus“ seine Freude haben. Zwar hat sich bei ASP inzwischen offenbar eine gewisse Routine eingestellt, mit den erwähnten Highlight-Tracks sowie beispielsweise dem überraschend zurückgelehnten, rockigen „Abyssus 4“ gibt der charakteristische Stil der Band allerdings immer noch genug spannende Variationen her, dank derer sich ein Reinhören jedenfalls lohnt.

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Wertung: 7.5 / 10

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