Review Letzte Instanz – Morgenland

  • Label: AFM
  • Veröffentlicht: 2018
  • Spielart: Rock

Nach der Rückkehr aus dem Sony-Kosmos ist „Morgenland“ der zweite Longplayer von LETZTE INSTANZ, der bei AFM/Soulfood erscheint. „Liebe im Krieg“ deutete als Einstand bei der neuen Label-Heimat altbekannte Qualitäten wieder an, die Brachialromantik schien nach mehreren (unter-)durchschnittlichen Veröffentlichungen wieder zu florieren. Die Hoffnungen auf weitere Steigerungen hält bei „Morgenland“ nur kurz.

Der Titeltrack als Auftakt gerät direkt zum Prunkstück der gesamten Veröffentlichung: Ähnlich wie die schnelleren Rocknummern von „Liebe im Krieg“ und einigen Vorgängern geht „Morgenland“ gut ins Ohr, das Tanzbein wippt vor allem dank gutem Streichereinsatz im Takt. Im Anschluss deutet das gediegenere „Ikarus“ gleich zu Beginn mit Hausfrauen-Lyrik wie „Hochmut kommt vor dem Fall“ oder „Für eine bessere Welt, warst du der letzte Held“ an, wohin die textliche Reise (erneut) geht. „Reim dich oder ich fress dich“ heißt dann es dann auch direkt im Refrain eben jenes Liedes, das genau wie „Schwarz“ noch mit einem zusammengekniffenem Auge erträglich ist. Für das temporäre Durchhaltevermögen entschädigt „Disco D’Amour“ mit viel Cello und einer netten Textidee, die sich je nach Interpreation an emotional abgestumpfte oder auch schüchterne Menschen richten kann. Kein Zweifel, Halbballaden und schnellere Rocknummern zählen nach all den Jahren zu den Stärken der INSTANZ.

Dass Holly und Co. erneut mit ihrem Produzenten Markus Schlichtherle (u.a. Polarkreis 18) zusammenarbeiten, offenbart wiederum der aalglatte Klang der gesamten Platte. Lediglich die genannten Nummern und mit Abstrichen auch „Mein Land“ sowie „Für immer sein“ als Abschluss brechen etwas aus dem Korsett aus, wenngleich „Mein Land“ auch die erste Lektion im Schlagzeugunterricht für Anfänger sein könnte und Rammstein mit ihrem namensgleichen Stück die INSTANZ locker wegbügeln. Dass die Brachialromantiker musikalisch andere Ziele als ihre Berliner Kollegen verfolgen, ist offenkundig, doch so simpel gestrickt wie viele der Texte, so naheliegend darf auch mancher Vergleich sein, speziell wenn er sich wie hier anbietet. Spätestens ab „Glücksritter“ geht „Morgenland“ schließlich auf ähnliche Weise vor die Hunde wie es bereits „Im Auge des Sturms“ tat: Bieder, gefällig, anschmiegsam, konstruiert, ungefährlich und offensichtlich klingt das neueste Oeuvre der Dresdener mit Ausnahme des bereits erwähnten Abschlusssongs. Max Giesinger, Adel Tawil und Marc Forster könnten auf die übrigen Kompositionen insgesamt aber stolzer nicht sein. Rein instrumentale Stücke fehlen vollends, dafür reiht sich ein Plattitüdensalat an den nächsten und am Ende wird jeder einzelne Song seiner möglichen Stärke beraubt, da Ecken und Kanten völlig fehlen. Mag „Morgenland“ als Titel durchaus provokativ gewählt sein, so ist die musikalische Verpackung mehr als handzahm und vor allem berechenbar.

Freiheit, Offenheit und Toleranz als Grundgedanken für ein Konzeptalbum über Hoffnung und Verheißung, die Verschmelzung von Morgen- und Abendland – alles gute Grundgedanken, leider ist die Umsetzung überwiegend mangelhaft und entbehrt besonders in der zweiten Hälfte jeglichen Wiedererkennungswerts. Hollys Gesang kommt – genau wie seine Texte – nicht über ein gewohntes Mittelmaß hinaus und scheint damit bereits am Maximum angekommen zu sein. Ein bisschen wirkt „Morgenland“ auch so, als ob es sich die INSTANZ in ihrem Wohlfühl-Einheitsbrei mit gelegentlichen Ausreißern bequem gemacht hätte, vielleicht sogar ohne es zu wollen oder aber auch ohne es besser zu können beziehungsweise zu müssen. Für Gelegenheits-Deutschrockhörer mit einer Affinität zu Phrasen mag das alles irgendwo OK und vielleicht auch manchmal rebellisch sein. Aber gerade bei offenkundig großen Ansprüchen an das eigene Schaffen darf das nicht das Ziel und auch nicht das finale Produkt sein.

Nein, nein, nein. Was die LETZTE INSTANZ auf „Morgenland“ großteils abliefert, erinnert an die dunklen Stunden der „Schuldig“/„Heilig“/„Ewig“-Trilogie sowie das völlig indiskutable „Im Auge des Sturms“. Balladeske Schmonzetten im Alltagslyrikbrei mögen zwar radiotauglich sein, doch gemessen an den Qualitäten, die anfangs und später besonders instrumental zweifellos vorhanden sind, ist die neueste Veröffentlichung unter dem Strich erneut eine riesige Enttäuschung.

Wertung: 4.5 / 10

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