Review Neal Morse – ? Live

Mit „? Live“ veröffentlicht Neal Morse sein erstes Solo-Livealbum. Sein Prog-Solodebüt “Testimony” (2003) ist bereits auf der „Testimony Live“-DVD (2004) komplett in aufwendiger Konzertdarbietung für die Nachwelt festgehalten worden. Mit dem nun folgenden Doppel-Livealbum widmet er sich seinen Alben „One“ (2004) und „?“ (2005).

Aufgenommen wurde fast das komplette Konzert vom 14. Juli 2006 im Berliner Columbia Club. Die erste CD bietet eine Komplettaufführung seines dritten Studiowerks „?“. In zwölf Stücken rockt, progt und frickelt sich Neal Morse hier mit seiner Begleitband durch das insgesamt 60-minütige Album. Glaubt man dem Promozettel, so sind nur marginale Korrekturen an den rohen Liveaufnahme vorgenommen worden. Löblich! Was aber definitiv schon hier und leider auch auf CD2 zu kurz bzw. zu leise kommt, ist das Publikum. Nur gelegentlich bekommt man tatsächlich mit, dass auch Zuschauer bei dem Konzert anwesend waren. Seine Begleitband macht ihren Job dabei durchaus gut: Drummer Collin Leijenaar hat die Schlagzeugparts von Mike Portnoy Stück für Stück rausgehört, spielt sie originalgetreu nach, aber lässt an manchen Stellen auch seinen eigenen Stil einfließen, was erfrischend wirkt. Gitarrist Elisa Krijgsman sorgt für den nötigen Drive und die schönen Soli und kann hier meiner Ansicht nach sogar gegenüber der Studioversion klare Bonuspunkte rausholen. Obwohl ich „?“ als Studioalbum ebenfalls sehr schätze, haucht die Livevariante dem Material definitiv mehr Leben ein. Dazu trägt auch der schöne weibliche Backgroundgesang von Jessica Koomen bei, den es auf der Studioversion ja ebenso nicht zu hören gab. Hierzu höre man nur mal „The Man’s Gone“ auf CD2. Wunderschön! Nicht so überzeugen kann Keyboarder Henk Doest, der eigentlich aus dem Jazz kommt und komischerweise recht große Probleme mit improvisierten Keyboardsoli im Progstil hat. „In The Fire“ wurde gegenüber der Studioversion um einen instrumentalen Schlagabtausch zwischen Neal, Elisa und Henk ergänzt – und hier wirkt Henks Spiel doch mehr als nur unpassend und stockend. Sehr schade. Die melodischen Passagen bekommt er dafür einwandfrei hin. Toll ist, dass mit der Aufnahme der „Spirit“ eines Neal Morse-Konzerts schön eingefangen wird. Neals Erzählungen über sein Leben und seine Unterhaltungen mit dem Publikum sind komplett vorhanden und besonders großartig sind seine Einschübe in den Songs, zum Beispiel bei „12“ bzw. „Entrance“.

Auf der zweiten Scheibe finden sich sechs Songs von Neals zweitem Prog-Solowerk „One“. Absolut hervorstechend ist dabei die geniale Liveversion von „The Creation“ und das schon erwähnte „The Man’s Gone“ mit Jessica und Neals Sohn Wil hinter den Mikrofonen. „Cradle To The Crave“ singt Neal ebenfalls mit seinem Sohn. Eine schöne Version, die jedoch für alle die, die Neal öfters sehen, schon einen langen Bart haben sollte. Bei „Help Me / The Spirit And The Flesh“ beeindruckt vor allem der Übergang zwischen den beiden Teilen, den Neal mit seinen „Help Me!!!“-Zwischenrufen veredelt. „King Jesus“, ein Song von der „One“-Bonus CD, kommt live extrem Energie geladen und mitreißend rüber, bevor es mit dem Grande Finale „Reunion“ und dem engelsgleichen „Make Us One“-Chören zunächst einmal regulär zuende geht. Hier fordert Neal das Publikum zum Mitsingen auf und es stellt sich sofort Gänsehaut ein. Als letztes gibt es noch ein Medley aus vielen von Neals bekannten Spock’s Beard-Akustik-Nummern, das live besonders gut ankam und den Abend ruhig beendet hat. Lediglich „Bridge Across Forever“ hat es nicht auf diese Live-CD geschafft.

Insgesamt ist „? Live“ also es ein nett verpacktes und gut geschnürtes Livepaket mit fast 140 Minuten Musik. Ein gutes Statement, um klarzumachen, wie es heutzutage auf Neals Progkonzerten zugeht. Wer die Studioalben liebt, darf bedenkenlos zugreifen. Einziger wirklicher Wermutstropfen ist das zu leise Publikum, wodurch die Liveatmosphäre nicht so gut zur Geltung kommt. Ebenso hätte die Aufnahme etwas druckvoller ausfallen können, was aber nicht wirklich störend auffällt. Das Album wird übrigens nicht von InsideOut, sondern von Mascot Records vertrieben.

Keine Wertung

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