Konzertbericht: Combichrist w/ Kaos Frequenz

10.02.2010 München, Metropolis

Sicherlich, Musik ist immer Geschmackssache – wenn jedoch eine gut gefüllte Halle geschlossen zu der Erkenntnis kommt, einer Band rein garnichts abgewinnen zu können, gibt es dafür eigentlich nur zwei plausible Erklärungen: Entweder, die Band ist zur falschen Zeit am falschen Ort, oder aber schlicht und ergreifend schlecht.
Auf das Duo KAOS FREQUENZ trifft zumindest heute Abend irgendwie beides zu. Abgesehen von der Tatsache, dass keiner mit einer Vorband gerechnet hatte, da diese nirgends angekündigt war, und wohl auch niemand das dringende Bedürfnis verspürt, unbedingt eine solche sehen zu wollen, verspielen die beiden Herren die letzte Möglichkeit auf das Sammeln von Sympathiepunkten nämlich bereits mit den ersten Takten – denn was auf Myspace noch lediglich unglaublich gesichts- und belanglos klingt, entpuppt sich live als absolutes Desaster: Zu Beats, wie sie billiger kaum klingen könnten, schreit der Sänger derart untalentiert in sein Mikrophon, dass selbst der weit aufgedrehte Stimmverzerrer hier nichts mehr retten kann.
Das Publikum reagiert durch die Bank verständnislos – kann wohl selbst der eingefleischteste Techno/Indrustrial/EBM-Fan dieser Darbietung absolut nichts abgewinnen. Der Blick ins Publikum zeigt: Ob nun mit ratlosem Gesichtsausdruck oder hämischem Grinsen – ums Fremdschämen kommt hier kaum einer herum.
Zur absoluten Lächerlichkeit verkommt die Show, als Kroke sich mit Leuchtstäben als Sticks an einem Drumpad versucht und hingebungsvoll mehr oder weniger im Takt auf das arme Gerät eindrischt, welches jedoch nicht einmal eingeschaltet ist – hier wendet sich selbst der COMBICHRIST-Drumtech mit Grausen… treffendster Kommentar aus dem Publikum: „Naja, immernoch besser, als wenn er singt…“
Dass hier so kein Blumentopf zu gewinnen ist, dürfte allen Beteiligten relativ schnell klar sein – ob die Entscheidung des Künstlers, den Auftritt deshalb nach nur gut der Hälfte der Songs auf der Setlist zu beenden, deshalb als feige oder einsichtig zu bezeichnen ist, liegt wohl im Auge des Betrachters. Sicher ist jedoch, dass keiner darüber sonderlich betrübt ist, sodass KAOS FREQUENZ unter konsequenter Beifallsverweigerung durch das Münchner Publikum die Bühne verlassen.

Setlist KAOS FREQUENZ:
01. Intro
02. Blood Game v.2
03. Sadistic Monsters
04. Never Ending Torture
05. Killing Dog
06. Kaltes Verlangen
07. Betrayer
—-

Nungut, immerhin eines ist gewiss:
Es kann nur besser werden.
Dass es jedoch so gut wird, hätte ich nicht einmal nach dem schon sehr gelungenen COMBICHRIST-Auftritt als Support für Rammstein in der Münchner Olympiahalle am 23.11. vergangenen Jahres erwartet:

Bereits mit den ersten Tönen des Intros wirkt das Publikum wie ausgewechselt – wo vorher noch eine apathisch verharrende Menschenmenge zu beobachten gewesen war, gibt es nun kein Halten mehr.
So ist es auch wenig verwunderlich, dass das Publikum Sänger Andy LaPlegua aus der Hand frisst. Egal, ob ältere Nummern wie der Opener „Today I Woke To Rain Of Blood” oder die Kracher vom aktuellen Longplayer „Today We Are All Demons“ – COMBICHRIST rocken (oder sollte man sagen: industrialen?) sich souverän durch ihr Set und heimsen dabei gleich den Sympathie-Bonus auch noch mit ein. Denn obwohl Andy aufgrund einer akuten Rückenverletzung nur mit Korsage und unter starken Schmerzmitteln spielen kann, lässt er sich davon nichts anmerken und gibt über die gesamte Spielzeit von knappen 80 Minuten sein Bestes. Und auch der Rest der Truppe lässt keine Gelegenheit aus, zu zeigen, dass sie durchaus Freude daran haben, zwischen den Arena-Shows als Rammstein-Support mal wieder vor eigenem Publikum spielen zu können.
Die beiden Drummer machen sich einen Spass daraus, sich über die halbe Bühne hinweg mit Drumsticks und Wasserflaschen zu bewerfen, Keyboarder Z. Marr headbangt sich die Dreadlocks vom Kopf und LaPlegua zieht nicht nur eine Grimasse nach der anderen, sondern auch diverse Male eine Tom vom Schlagzeugpodest. Ermöglicht wird dies durch die beiden Roadies, die die gefallenen Trommeln und Sticks unermüdlich einsammeln und wieder an ihren Platz bringen, so dass der Spielfluss durch das aufkommende Chaos nicht beeinträchtigt wird. Nach dem eifrig vom Publikum mitgesungenen „Fuck That Shit“ sowie „Are You Connected“ (beide im Übrigen, wie auch der Rest der Show, in glasklarem und bestechend differenziertem Sound) kommt die Show mit „This Shit Will Fuck You Up“ nicht nur zu einem weiteren Höhepunkt, sondern nach 70 Minuten auch zum Ende, wobei die beiden Drumkits nun ganz daran glauben müssen. Jedoch wird auch hier Authentizität noch großgeschrieben und nicht bloß eine möchtegern-böse Show abgezogen:
Denn wo andere Bands bloß lächerlich wirken, wenn sie in Rockstar-Manier ihr Equipment zertrümmern, wirkt bei COMBICHRIST sogar die den Gig beendende Schlagzeugschlacht (Spielregel Nummer 1: Nimm das erstbeste Teil eines der beiden Drumkits und schmeiße es auf das jeweils andere. Spielregel Nummer 2: Höre nicht auf, bis dein Drumkit gänzlich demontiert ist) alles andere als aufgesetzt… hier wird allerhöchstens dem Kind im Manne und dessen Spieltrieb gefolgt, keinesfalls jedoch einer Marketingstrategie.
Frenetischer Jubel holt COMBICHRIST noch ein letztes Mal auf die mittlerweile durch die Roadies wieder halbwegs hergestellte Bühne zurück, bevor sie mit „What The Fuck Is Wrong With You People“ einen letzten Track für diesen Abend anstimmen, um das Schlagwerk danach ein weiteres Mal auf rabiate Art und Weise zu demontieren.

Dass COMBICHRIST nach der Show noch Fannähe beweisen und gutmütig für Photos posieren, Autogramme geben und aus dem Nähkästchen plaudern, bestätigt nur den Eindruck, den die Band schon auf der Bühne vermittelt hat: Hier wird noch leidenschaftlich von Fans für Fans musiziert – und das in einem so kalt und herzlos anmutenden Genre wie Industrial… wer hätte das gedacht. Und während sich das zufriedene Münchner Publikum um den COMBICHRIST-Merchandise-Stand drängt, um sich mit dem nötigsten Fan-Material auszurüsten, übt sich auch der Sänger hinter einem ansonsten vollkommen vereinsamten KAOS-FREQUENZ-Stand in „Fan-Nähe“… vor allem aber wohl in „Frustrationstoleranz“.

Setlist COMBICHRIST:
01. Intro / Today I Woke To Rain Of Blood
02. Scarred
03. Electrohead
04. Without Emotions
05. Today We Are Demons
06. Feed Your Anger
07. Get Your Body Beat
08. The Kill
09. Fuck That Shit
10. Are You Connected
11. This Shit Will Fuck You Up

12. What The Fuck Is Wrong With You People?

Publiziert am von

Fotos von: Moritz Grütz

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