Konzertbericht: Mission Ready Open Air

01.07.2017 - 01.07.2017 Flugplatz Würzburg-Giebelstadt


Ein neues Festival zu erschaffen ist in der dichten deutschen Festivallandschaft alles andere als ein einfaches Unterfangen. Auf dem Flugplatz Giebelstadt bei Würzburg wird dies nun trotzdem versucht – bei der ersten Ausgabe des MISSION READY FESTIVALs buhlen 15 Bands, verteilt auf eine Punk-Rock- und eine Hardcore-Stage, um die Gunst der rund 5000 Besucher. Dank nur kurzer Überschneidungen ist der Kampf um die Zuschauer jedoch ein sehr entspannter.

Pünktlich um 14 Uhr beginnen COCK RIOT mit ihrem klassisch-lässigen Punk Rock den knapp 11-stündigen Konzerttag und erweisen sich als idealer Opener. Die schon vor deren Bühne Befindlichen schwingen ein erstes Mal das Tanzbein und auch die Band hat sichtlich Spaß an ihrem Auftritt. Nebenan folgt mit TRUST IN RANDOM dann leider Malen-nach-Zahlen-Hardcore, was zwar solide, aber tendenziell eher langweilig ist. Klare 1:0 Führung für die Punk-Rock-Stage.

Dort spielen als nächstes SAM ALONE AND THE GRAVEDIGGERS, deren Musik jedoch dermaßen auf Radiotauglichkeit getrimmt ist, dass die Hardcore-Stage unbedrängt zum 1:1 ausgleichen kann. Denn dort bitten WOLF DOWN zum Tanz und die Anwesenden tanzen gern, während die Truppe aus dem Ruhrpott derweil die Bühne zerlegt und genretypisch gegen Sexismus, Homophobie, Rassismus und Faschismus wettert. Dabei darf auf ein Aufruf zur Störung einer lokalen AfD-Veranstaltung natürlich nicht fehlen. Starker Auftritt, bei dem Musik und Message Hand in Hand gehen.


“Die Rude Boys von der Reeperbahn sind da!, heißt es derweil nebenan, wo RANTANPLAN aufspielen und die gute Laune aufs MISSION READY bringen. Mit ihrem humoristischen und doch durchaus durchdachten Texten in Kombination mit ihrem entspannten Ska können die Hamburger das Publikum schnell für sich einnehmen, sodass ausgiebig getanzt und gegrinst wird, während die Herren ihr Set spielen. Das Lachen vergeht dann aber ganz schnell wieder, als mit WISDOM IN CHAINS die nächste Hardcore-Truppe ansteht. Das liegt aber primär daran, dass zum einen nach 15 gespielten Minuten der Strom weg ist. Die fünfminütige Zwangspause kann man der Band nicht anlasten, wohl aber, dass sie ihr Set dann auch noch sechs Minuten vor dem eigentlichen Schluss beenden. Schade, aber so kann die Punk-Rock-Stage erneut in Führung gehen – 2:1.

Diese Führung auszubauen versuchen anschließend THE BABOON SHOW, was aber leider vollkommen misslingt. Denn nach einem Ganze fünf Minuten dauernden Intro kredenzt die Band den Anwesenden Punk der alten Schule, der leider auch sehr altbacken klingt. Ohne wirkliche Biss in der Musik scheitert der Versuch, gute Laune zu verbreiten eher kläglich – vielleicht auch, weil gerade das RANTANPLAN zuvor so gut gelungen war. Einfaches Spiel also für DEEZ NUTS, die ihrem Hardcore noch eine Prise Hip-Hop-Flair beimischen und damit beim Publikum ganz offensichtlich einen Nerv treffen. So springen und headbangen die Leute vor der Bühne und sind bester Laune, zu denen die Party-Schlagseite in der Musik ihren Teil beiträgt. Klasse Show und folgerichtig der Ausgleich zum 2:2.

Im Anschluss machen MASSENDEFEKT abwechselnd eine passable und eine bedauernswerte Figur, abhängig davon, was sie spielen. Denn während ihre eigenen Kompositionen durchaus gut ankommen,ist die Coverversionen von „Bro Hymn“ (Pennywise) so dermaßen schlecht, dass man schreiend wegrennen möchte. Zum Wegrennen ist es danach sicher auch einigen Neulingen zu Mute, denn die Aggressivität, mit der TERROR die Hardcore-Stage zerlegen, ist absolut exquisit. Scott Vogel und Kollegen sind bester Laune, an der sie auch das Publikum teilhaben lassen, indem sie die Leute massenhaft zum crowdsurfen animieren. Mit alten Krachern wie „Always The Hard Way“, aber auch Material vom aktuellen Album „The 25th Hour“ begeistern die Herren ihre Fans und beweisen eindrucksvoll, warum sie in der Szene und darüber hinaus hinaus so respektiert sind. Klarer Punktsieg und damit erstmalig die Führung für die Bühne mit den harten Klängen – 2:3.

Dass SONDASCHULE da ausgleichen wollen, glaubt man ihnen gern, doch klingen sie nach TERROR leider eher nach Kindergarten, denn nach irgendeiner Schule. Punk Rock mit Posaune, textlichen Allgemeinplätzen und wenig aufregendem Songwriting sind eben nicht die allerbesten Verkaufsargumente. Dabei soll allerdings auch nicht verschwiegen werden, dass die Truppe gelegentlich schon mit einem ordentlichen Riff oder einem coolen Groove um die Ecke kommt, was die Anwesenden dann auch entsprechend honorieren. Unterm Strich jedoch ein eher schwachbrüstiger Auftritt.

Diesen Vorwurf müssen sich MADBALL keinesfalls anhören, denn die legendären New Yorker legen den besten Auftritt des Tages hin. Freddie strotzt nur so vor Motivation und feiert die Veranstaltung als Hardcore-Familienfest, bei dem ihm zu Folge lediglich Sick Of It All fehlen. „Set It Off“ oder „Hardcore Lives“ geben den Leuten vor der Bühne den Soundtrack zum Ausrasten, was auch prompt geschieht. Unablässig dreht sich der Pit und in Scharen purzeln die Anwesenden über die Absperrung zur Bühne. Allerdings kommen MADBALL nicht nur über die ungezügelte Aggression, wie beispielsweise TERROR, sondern bestechen mit dermaßen heftigen Grooves, dass alle Anwesenden sich zur Musik bewegen – ob sie wollen oder nicht. Eigentlich eine Darbietung, die ob ihrer Stärke außer Konkurrenz laufen müsste, so bauen die Hardcoreler ihre Führung mit 2:4 aus.

Einen Sonderpunk für den spaßigsten Auftritt sichern sich ME FIRST AND THE GIMME GIMMES, die ihr Set ausschließlich mit durch den Punk-Rock-Filter gedrehten Coversongs bestreiten und das auf so angenehme und unterhaltsame Art und Weise tun, dass man sie nur mögen kann. Bereits seit 1995 ist die Truppe unterwegs und spielt neben ihrem Markenkern – Nummern aus den 60ern und 70ern – auch einige aktuelle Hits. Das Rad wird dabei sicher nicht neu erfunden, aber der Spaßfaktor ist enorm hoch. Zudem bietet der Auftritt die Chance, bei guter Musik in Ruhe etwas zu essen oder sich noch eine Hopfenkaltschale zu genehmigen. 3:4 – Anschlusstreffer und damit vor den beiden Headlinern effektiv der knappe Sieg für die Hardcore-Stage.

Auf dieser beweisen direkt im Anschluss AGNOSTIC FRONT einmal mehr, warum sie die Könige des NYHC sind. Mit packenden Rhythmen, donnernden Grooves und Texten, die zwischen dem Beschwören der Szenefamilie und Sozialkritik alternieren, zeigen die New Yorker, woraus dieses Genre gestrickt ist. Von ihnen. Mit einer großväterlichen Altersgelassenheit zerlegen AGNOSTIC FRONT die Bühne und wirken dabei kein bisschen altersmüde, sondern durchaus energiegeladen. Das Publikum vor der Bühne feiert die Show und die Songs der Truppe, da diese einfach unantastbar sind, seien es alte Granaten wie „Victim In Pain“ oder die Band-Hymne „For My Family“. Würdiger Abschluss eines unheimlich starken Tages auf der Hardcore-Stage.

Dezidierter Headliner sind jedoch FLOGGING MOLLY, die als letzte Band des Mission Ready noch einmal die Punk-Rock-Stage zum Beben und das Publikum zum Kochen bringen. Im Handumdrehen verwandeln die Folk-Punker das verregnete Infield in einen veritablen Dancefloor, auf dem es während der 80 Minuten Spielzeit kein Stillstehen gibt. Durch sympathischen Ansagen von Dave King eingerahmt, zünden die Lieder der Truppe sofort und heizen die Partylaune der Mission-Ready-Besucher noch kräftig an. Die Reaktion der Leute macht zudem deutlich, dass die Organisatoren mit FLOGGING MOLLY als Headliner eine absolut richtige Entscheidung getroffen haben und so endet ein toller Tag mit einem echten Highlight.

Was unterm Strich bleibt ist gute Laune ob der tollen Organisation und der großartigen Bands, die sich beim ersten MISSION READY OPEN AIR die Klinke in die Hand gaben. Zudem entsteht schon direkt am Tag danach die erste Vorfreude auf die zweite Ausgabe im kommenden Jahr – dieses Festival hat definitiv gute Chancen, sich dauerhaft zu etablieren.

Publiziert am von

Fotos von: Christoph Emmrich

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