Konzertbericht: Sylvan

2006-04-28 Köln, MTC

Nach dem fantastischen Konzeptalbum „Posthumous Silence“ war es für mich so gut wie klar, dass SYLVAN auch live wieder besucht werden müssen. So machte ich mich am 28. April auf den Weg nach Köln, wo die fünf Hamburger Jungs den ersten Gig ihrer „Posthumous Silence“-Tour abhalten sollten. Kaum am Veranstaltungsort, dem MTC Music Club, angekommen, vernahm ich auch schon die ersten mir bekannten Töne. Anscheinend war der Soundcheck in vollem Gange.

Um 20 Uhr war dann Einlass – und hier bestätigte sich dann leider meine Befürchtung: Das MTC ist ein kleiner, aber feiner Kellerclub, den die Band aber an diesem Abend leider nicht füllen konnte. Schätungsweise 60 – 70 Seelen hatten den Weg hierher gefunden, um sich SYLVAN anzusehen.

Genau eine Stunde später sollte es dann losgehen und die Jungs kamen zu den Tönen von „Eternity Ends“, dem Opener des aktuellen Albums, auf die kleine, fast ebenerdige Bühne. Schon ein seltsames Gefühl, direkt vor Sänger Marco Glühmann zu stehen und ihm während des Konzertes praktisch beinahe direkt in die Augen sehen zu können – und noch dazu als einer von etwa 5 Leuten die Texte mitzusingen. Jedenfalls wurde, spätestens nach dem dritten „Posthumous Silence“-Song „In Chains“ relativ schnell klar, dass die Band doch tatsächlich das komplette Album aufführen würde! Natürlich eine große Freude, denn etwas Besseres ist dieses Jahr bisher noch nicht auf einem Silberling erschienen. Für ein erstes Konzert gab sich die Band überaus sicher, es gab zwar ein oder zwei Verspieler, aber darüber kann man locker hinwegsehen. Am skurrilsten war sicherlich noch der Moment, in dem Marco dem Gitarristen Kay Söhl während eines Heavy-Parts auf das Gitarrenkabel trat, sodass die Gitarre für kurze Zeit verstummte. Im Grunde führte man „Posthumous Silence“ ohne Pause auf – es gab zwischendrin außer einem kurzen „Hallo“ keine Ansagen und die gesamte Band zelebrierte den Konzeptcharakter auch auf der Bühne. Die andächtigen, melancholischen Lyrics wurden von Gitarrist Kay Söhl und Bassist Sebastian Harnack zu jeder Zeit, in der sie nicht spielen mussten, mit andächtig-in-sich-gekehrten Blicken und gesenktem Kopf beehrt, oftmals verschwanden die beiden dann auch stilschweigend in die hinteren Ecken der kleinen Bühne.

Insgesamt waren diese ersten 70 Minuten der Show überaus unterhaltsam und auch mitreißend, der letzte Funke sprang dennoch nicht über. Das hat aber zwei ganz einfach Gründe, für die die Band direkt noch nicht einmal etwas kann. Erstens ist das Album erst seit guten 1 ½ Wochen veröffentlicht und das Publikum damit noch nicht allzu textsicher. Auf der Publikumssseite beschränkte man sich also größtenteils auf starkes Applaudieren in den ruhigeren Passagen oder nach Soloabfahrten. Dennoch, das war ganz klar zu erkennen, genoss die Band sichtlich die aufkommende Atmosphäre. Viel entscheidender jedoch ist die Tatsache, dass „Posthumous Silence“ ein überaus dichtes und atmosphärisches Album ist. Es ist sicherlich sehr schwer, die Stimmung und Dichte auch auf der Bühne so rüberzubringen. Das haben die Fünf auf jeden Fall gut geschafft – allerdings hat man dabei, logischerweise, auf allerlei Samples und Einspieler vom Band zurückgreifen müssen, die die Liveatmosphäre immer etwas dämpfen. Es ist allgemein etwas schwierig, zu SYLVANs Musik Stimmung zu machen oder sich zu bewegen, es ist eher Musik zum Genießen. Der Sound der Band war übrigens über den ganzen Abend hinweg hervorragend. Es war zwar durchaus recht laut, dennoch konnte man jedes Instrument zu jeder Zeit orten und nachvollziehen. Fantastisch, mit welch einfachen Mitteln Schlagzeuger Matthias Harder aus seiner Schießbude so einiges an Power und Atmosphäre hervorzaubert. Keyboarder Volker Söhl verwöhnte das Ohr mit beinahe schon klassisch anmutenden Pianoläufen, während Bassist Sebastian Harnack seine Alternative Rock-Bassgroves ausbreitete. Über Sänger Marco Glühmann brauchen wir gar nicht weiter reden – er ist der Deutsche (und bessere) Ted Leonard (Enchant). Ich kenn kaum einen Sänger, der so viel Emotionen in seinem Gesang transportiert und dazu noch so wandlungsfähig, agil und sicher ist. Man merkt ihm auch ganz klar an, dass er seine selbstgeschriebenen Lyrics singt. Fremde Texte könnte man glaub ich gar nicht so mitreißend rüber bringen.

Nach der „Posthumous Silence“-Komplettaufführung verschwand man ohne jedes Wort von der Bühne. Es dauerte natürlich nicht lange, da war man wieder da. Marco klärte alle, die noch nicht bescheid wussten auf: „So, für alle die es noch nicht wissen, das war „Posthumous Silence“, unser neues Konzeptalbum“. Und dann ging es mit einigen älteren Tracks weiter. Zu hören gab es das beinahe progmetallische „Lost“ vom vierten Album „X-Rayed“, sowie den Tränenzieher „That’s Why It Hurts“ von der Platte „Artificial Paradise“. Und mit diesen Songs änderte sich die Stimmung des Konzerts auf einen Schlag: Das Publikum sang lauthals mit, die Band schien total locker und nicht mehr so angespannt wie zuvor. Die Stimmung war für die wenigen Leute, die den Weg zu dem Konzert gefunden hatten, absolut fantastisch. Die Performance der Jungs nun absolut weltmeisterlich. Die Refrains der Songs brauchte Marco teilweise kaum noch selbst zu singen – stattdessen hielt er das Mikro in Richtung des Publikums, welches seine Aufgabe bravourös übernahm. Danach gab es dann noch die Offenbarung schlechthin: Die Jungs hatten tatsächlich ihren 20-minütigen Übersong „Artificial Paradise“ im Gepäck. Die Atmosphäre während dieses Tracks entsprach in etwa den Erlebnissen, die ich eine Woche zuvor während dem Song „Second Life Syndrome“ bei Riverside hatte. Unübertroffen und das Highlight des Abends. Nun gings abermals von der Bühne.

Die anwesende Mannschaft aber wollte noch mehr. Marco kündigte an, dass das aber nun wirklich der letzte Song sei: Also gab es noch einen „X-Rayed“-Titel, genauer gesagt den wunderschönen, erhabenen Album-Closer „This World Is Not For Me“. Auch hier galt es wieder, sich mit Marco in Extase zu singen. Absolut großartig.

Das nun super aufgelegte Publikum wollte jedoch nicht so recht gehen, auch nachdem die Hallenmusik schon wieder angeworfen war. Diesmal dauerte es zwar etwas länger, bis die Jungs noch mal wiederkamen, aber wichtig ist ja letzten Endes nur, dass sie noch einen Song gespielt haben. Für weitere Konzerte der Tour gilt also: Einfach immer weiter klatschen und „Zugabe“ rufen! Denn nun gab es noch ein spezielles Schmankerl. Informierte Fans wissen, dass SYLVAN dieses Jahr noch ein zweites Album veröffentlichen werden, das auf den Namen „Presets“ hört und kürzere und kompaktere Songs enthalten soll. Zur großen Freude der Anwesenden gab es davon nun also noch einen Track zu hören. Zwar ist mir der Songtitel nicht bekannt, eins jedoch dürfte klar sein: Die Nummer war absolut großartig! Typisch SYLVAN, phantastische Stimmungen und Melodien und ein tolles E-Gitarren Solo von Kay Söhl. Allerdings fiel nicht nur mir auf, dass die Nummer eigentlich gar nicht so kurz war – 5 ½ Minuten waren das mit Sicherheit.

Nun war aber endgültig Schluss – etwas mehr als zwei Stunden Spielzeit sind für gerade Mal zehn Euro Eintritt an der Abendkasse sicherlich jede Menge, zumal die Qualität, wie schon erwähnt, absolut gestimmt hat. Es ist zwar etwas schade, dass die Jungs noch nicht den Erfolg haben, den ihre eigenständige, emotionale und völlig unvergleichliche Musik eigentlich verdient, aber vielleicht brauchen sie einfach noch etwas Zeit. Da ich dem Slogan „Qualität setzt sich durch“ viel Glauben schenke, bin ich da also noch guter Hoffnung.

Fest steht für alle Progrockfans: Hingehen!! Das Konzeptalbum in Gänze zu hören ist schon einmalig und der „Zugabenteil“ rockt alles weg! ;-)

Setlist:
– Eternity Ends
– Bequest Of Tears
– In Chains
– Bitter Symphony
– Pane Of Truth
– No Earthly Reason
– Forgotten Virtue
– The Colors Changed
– A Sad Symphony
– Questions
– Answer To Life
– Message From The Past
– The Last Embrace
– A Kind Of Eden
– Posthumous Silence
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– Lost
– That’s Why It Hurts
– Artificial Paradise
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– This World Is Not For Me
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– “Presets”-Song (bisher unveröffentlicht)

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