Konzertbericht: Eisheilige Nacht 2022

27.12.2022 Würzburg, Posthalle

Nach einer längeren Corona-Pause melden sich die EISHEILIGEN NÄCHTE wieder zurück. Auf der beliebten Jahresend-Festivalreise von SUBWAY TO SALLY sind 2022 neben den Gastgebern auch MR. IRISH BASTARD, TANZWUT und MR. HURLEY UND DIE PULVERAFFEN zu sehen.

Die Posthalle in Würzburg ist wenige Tage nach Weihnachten überraschend gut gefüllt, als Eric Fish die Bühne betritt und die Menge begrüßt. Der SUBWAY-Fronter und Teilzeit-Moderator drückt erst einmal jeder Kapelle ihren Stempel auf (Tanzwut = „erdiger Mittelalterrock“), nur um am Ende auf die Band überzuleiten, die sich in keine Schublade stecken lässt: SUBWAY TO SALLY. Insgesamt unglücklich formuliert und überheblich präsentiert vom Szeneveteranen.

Musikalisch eröffnen MR. IRISH BASTARD den Abend mit allem, was die Irish-Folk-Punk-Klischeeschublade textlich und musikalisch zu bieten hat. Anfangs ist die Menge auch eher verhalten und die Animationsversuche der Bandmitglieder stoßen auf wenig Gegenliebe. Doch die Musiker lassen sich davon nicht beirren und erspielen sich ihr Publikum in den rund 30 Minuten, unter anderem mit gelungenen Nummern wie „Captain O Captain“ oder „The Soundtrack Of My Life“. An der Tin Whistle fällt mit Hatey Katey zwar die Stammbesetzung aus, doch ihr Ersatz zeigt sich zusammen mit Mike Hunt an der Geige wunderbar spielfreudig. Ein weiterer Pluspunkt von MR. IRISH BASTARD ist die handgemachte Musik – ohne Playback und Samples. Das tröstet gerade in der zweiten Hälfte über die arg kommerzielle Grundausrichtung des Projekts hinweg, die am Ende passenderweise in einen Schunkler im ¾-Takt mündet.

Deutlich aktiver wird die Menge bei TANZWUT, bereits ab dem Opener „Herrenlos und frei“. Der handgemachte Aspekt des Openers rückt dafür zusehends in den Hintergrund, da viele Instrumente wie Cembalo oder Flöten vom Band kommen. Teilweise betrifft dies sogar die Hauptmelodien der einzelnen Songs. Nachdem beim TANZT! die Dudelsäcke u.a. bei den Merseburger Zaubersprüchen zu viel Raum einnehmen, sind sie bei den Eisheiligen Nächten im gesamten Set fast nicht zu hören. Dafür geraten die großflächigen Synthies in fast allen Songs beinahe omnipräsent. Der Feiertauglichkeit von Nummern wie „Die Tanzwut kehrt zurück“, „Pack“ oder „Brüder im Geiste“ tut dies keinen Abbruch, nur ab und an weicht der Soundteppich arg von dem ab, was auf der Bühne geboten wird: Selbst als Teufel und weitere Musiker zu ihren Sackpfeifen greifen, wird der Klang der Bordunfraktion dadurch nicht voller, sondern es dominieren weiter die Chöre. Der Fokus bei TANZWUT liegt aber grundsätzlich deutlich mehr auf einer packenden und atmosphärischen Bühnenshow als auf einzelnen Instrumenten. Mit dieser Attitüde liefern die Berliner auch in Würzburg ab. Gekrönt wird der Auftritt am Ende vom imposanten Abschlussbild nebst Choreo beim fast schon hypnotischen „Hymbus Cerberi“.

MR. HURLEY UND DIE PULVERAFFEN setzen stimmungstechnisch noch einen drauf: Vom Opener-Spot der Eisheiligen Nächte haben sich die vier Geschwister mit ihrem maritimen Partyfolk inzwischen auf den zweithöchsten Platz gespielt. Auch die Show in Würzburg beweist, warum der Weg des Piratenvierers in den letzten Jahren so steil nach oben gegangen ist. Gerade Bass und Percussion liefern ein starkes Fundament und der Sound dringt schön druckvoll durch die Arena. Das Publikum tanzt und grölt direkt fröhlich zu Songs wie „Tortuga“, „Schrumpfkopf im Rumtopf“ und „Santa Sangria“ – teilweise fliegen sogar die Bierbecher nebst Inhalt durch die Posthalle. Keine Überraschung also, dass die Pulveraffen auch beim neuen Song „Achterbahn am Achterdeck“ an ihrem Erfolgsrezept festhalten. Neben der Feiertauglichkeit überzeugen die Texte von Mr. Hurley durch viel Wortwitz und Charme. Zwar ist der Oberaffe durch ein Karpaltunnelsyndrom geschwächt, doch Knüppel-Kalle von Knasterbart als kurzfristiger Ersatz meistert den offenen Gitarren-Part mit Bravour, so dass sich Mr. Hurley auf seinen Gesang konzentrieren kann.

Einzig bei „Mann über Bord“ und „Mit’n Hut“ übernehmen Pegleg Peggy bzw. Buckteeth Bannock die erste Stimme und sorgen für Abwechslung – davon darf es zukünftig gerne mehr sein, zumal die Pulveraffen musikalisch bereits wissen, wie sie sich von ihren Studioproduktionen lösen. Den totgecoverten „Wellerman“ nutzen die Nordlichter geschickt als Intro für „Auf zu neuen Ufern“ und kurz vor Ende bedient sich der Vierer in seinem Medley bei irischen Traditionals, „Bella Ciao“ und Gloria Gaynor gleichermaßen. Das unvermeidliche „Blau wie das Meer“ gibt es an diesem Abend mit Unterstützung der Melodiefraktion von MR. IRISH BASTARD zu hören, womit MR. HURLEY UND DIE PULVERAFFEN auch an dieser Stelle das richtige Näschen beweisen und sich den stärksten Teil des Openers als Ergänzung ins Boot holen.

Pünktlich zum Headliner wird die Sound- und Lichtanlage in der Posthalle – analog zum letzten Mal – gefühlt noch einmal neu justiert: Als SUBWAY TO SALLY ihr Set mit „Alles was das Herz will“ beginnen dringt der Sound mit einer völlig neuen Wucht durch den Zuschauerraum, untermalt von stimmungsvollen Effekten. Der wuchtige Sound geht zu Beginn zulasten der Melodieinstrumente, da Bodenskis Drehleier und Allys Geige nicht zu hören sind. Beim zweiten Lied „Königin der Käfer“ bessert sich dies zum Glück zumindest bei der Violine, die bei SUBWAY dank Ally inzwischen zu den zentralen Bestandteilen der Live-Shows gehört. Das beweist sie direkt mit ihrem ersten Solo, abwechselnd vorgetragen mit Gitarrist Ingo. Diese Live-Arrangements, die sich von den Studioversionen abheben, zählen zu den großen Pluspunkten des Auftritts.

Besonders gilt dies auch für den Akustikblock, in dessen Rahmen die Musiker mit reduziertem Instrumentarium sogar „An der Zeit“ von 1994 und „Traum vom Tod II“ aus der Mottenkiste holen. Das Publikum quittiert dies mit tosendem Applaus. Die gesamte Show gleicht einer Werksschau aus 30 Jahren SUBWAY TO SALLY und (fast) jedes Album findet durch einen oder mehrere Songs den Weg in die Setlist. Exemplarisch seien an dieser Stelle „Henkersbraut“ (Hochzeit), „Mephisto“ (Bannkreis) und „Carrickfergus“ (MCMXCV) genannt. Mit „Was ihr wollt“ präsentieren SUBWAY TO SALLY den ersten vielversprechenden Vorboten von ihrem neuen Album „Himmelfahrt“, welches im April 2023 erscheint. Fast vollständig wie die Diskografie in der Songauswahl ist auch die Band: Für Simon Michael springt Ex-Vroudenspil-Drummer Dennis Schwachhofer ein, der einen exzellenten Eindruck in der Schießbude hinterlässt. Im zweigeteilten Zugabenblock folgt schließlich das obligatorische Hit-Feuerwerk von STS, bei „Veitstanz“ wird Eric dabei gesangstechnisch von den anderen Bands des Abends unterstützt – mit Ausnahme von Teufel, der nicht zu sehen ist.

Trotz Ausfällen und viel kurzfristiger Improvisation bei den meisten Bands überzeugen die EISHEILIGEN NÄCHTE 2022 durch viel Abwechslung, spielfreudige Bands und den ein oder anderen besonderen Live-Moment. Fast allen Musikern und Fans steht die Freude, endlich wieder auf bzw. vor Bühnen mit echten Menschen (und ohne Masken oder anderen Einschränkungen) zu stehen, buchstäblich ins Gesicht geschrieben.

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