Konzertbericht: Der Weg einer Freiheit w/ Celeste, The Devil’s Trade

11.04.2019 München, Backstage (Halle)

Zwei Jahre sind die aktuellen Alben von DER WEG EINER FREIHEIT und CELESTE alt – und zumindest die Deutschen hatten ihr Werk „Finisterre“ auch schon ausgiebig betourt. Für die aktuelle Konzertreise nehmen DER WEG EINER FREIHEIT deswegen ein Jubiläum zum Anlass: Den zehnten Geburtstag des selbstbetitelten Debüts. Der eigentliche Anlass der Tour dürfte wohl eher das eben erschienene Live-Album „Live in Berlin“ sein, das schließlich auch promotet werden will.

Um kurz vor acht Uhr steht jedoch zumindest allen, die sich zuvor nicht über den Support schlau gemacht haben, eine Überraschung bevor: Dávid Makó mit seinem Ein-Mann-Projekt THE DEVIL’S TRADE. Intuitiv würde man im Kontext der anderen Bands von einem Einzelmusiker etwas in Richtung geloopetem Noise mit vielen Effekten erwarten – weiter daneben könnte man kaum liegen: Schon beim ersten Song, den Makó wortwörtlich durch sein Banjo singt, kommt die kraftvolle, tiefe Stimme des Ungarn voll zur Geltung. In der guten halben Stunde positioniert Makó THE DEVIL’S TRADE mit dem Mix aus Banjo, Overdrive-Gitarre und Gesang irgendwo zwischen den Soloprojekten von Scott Kelly und Steve Von Till, Psychedelic/Country Rock à la Neil Young und ungarischer Folklore. Dass zumindest die Fans in den vorderen Reihen gebannt zuhören, spricht für THE DEVIL’S TRADE – schließlich dürfte wohl keiner der Anwesenden für diese Art Musik gekommen sein.

Nach kaum zehn Minuten Umbaupause könnte der Kontrast demnach auch kaum stärker ausfallen. Auf den ruhigsten Sound folgt der brutalste des heutigen Abends. Wie gewohnt in Nebel und Dunkelheit gehüllt, sorgen CELESTE nicht nur mit ihren charakteristischen roten Stirnlampen für eine einzigartige Atmosphäre. Auch die absolut hässliche, ultimativ aggressive Attitüde der Musik von CELESTE, die sich am ehesten zwischen Post-Hardcore und modernem Black Metal einordnen ließe, sucht ihresgleichen. Dass der Sound zumindest in den hinteren Reihen der mittlerweile gut zur Hälfte gefüllten Halle sehr differenziert ankommt, kann jedoch nicht ganz wettmachen, dass der Musik durch die zu leise Abmischung leider etwas von der Wucht verloren geht, die ansonsten gerne darüber hinwegtäuscht, dass sich die Songs atmosphärisch und stilistisch kaum unterscheiden. Mag der Fan von solchen Feinheiten enttäuscht sein – wer CELESTE heute zum ersten Mal sieht, dürfte die Halle nach dieser 50-minütigen Darbietung entweder be- oder entgeistert verlassen: Dazwischen gibt es bei CELESTE als klassische „love it or hate it“-Band wenige Stufen.

Tatsächlich lohnt es sich, vor dem Headliner nochmal kurz Frischluft schnappen zu gehen – zum einen ist die Luft in der Halle dafür, dass diese höchstens zu zwei Drittel gefüllt ist, erstaunlich stickig – zum anderen lassen sich DER WEG EINER FREIHEIT gut eine halbe Stunde Zeit, ehe sie um Punkt 22:00 Uhr die blau-grün ausgeleuchtete Bühne betreten. Mit „Ewigkeit“ starten die Würzburger sogleich in ihr Special-Set, das sich zunächst ausschließlich aus den – sogar in exakter Albumreihenfolge gespielten – Songs des Debüts „Der Weg einer Freiheit“ zusammensetzt.

Nun sind DER WEG EINER FREIHEIT beileibe nicht die ersten, die zur Feier eines Jubiläums am Stück spielen – nur leider ein gutes Beispiel dafür, warum diese nett gemeinte Würdigung musikalisch mäßig berauschend ist: So wird zwar jedes Album unweigerlich irgendwann 10, 20 oder 25 Jahre alt – doch längst nicht jedes altert gut oder funktioniert am Stück gespielt. Die Anzahl der Debüt-Alben, auf die beides zutrifft, ist überschaubar. So ist es auch gar nicht ehrenrührig, dass auch das Debüt von DER WEG EINER FREIHEIT kein Album ist, von dem heute, zehn Jahre und drei Alben später, noch jeder Song das Live-Set der seitdem merklich gereiften Band bereichert – zumal der Sound nun nicht nur zu leise, sondern (anders als bei Celeste) auch zunächst extrem verwaschen aus den Boxen schallt. So mag es für eingefleischte Fans vielleicht noch etwas Besonderes sein, einige selten bis nie gespielte Songs live zu hören – ansonsten sind die Reaktionen des Publikums zunächst eher verhalten.

Ganz anders bei den vier Songs, die DER WEG EINER FREIHEIT im Anschluss spielen: Schon bei „Ein letzter Tanz“ und „Requiem“ wacht das Publikum (und der Soundtechniker) auf, bei der Zugabe „Lichtmensch“ bricht schließlich doch noch ein Moshpit los – so dass sich DER WEG EINER FREIHEIT sogar mit „Einkehr“ spontan noch für eine zweite Zugabe entscheiden – und dafür so lautstark wie berechtigt abgefeiert werden.

Mit „Finisterre“ haben DER WEG EINER FREIHEIT ihr bislang komplexestes, mit „Infidèle(s)“ CELESTE ihr aggressivstes Album veröffentlicht. Dass beide Bands als Tour-Package trotzdem exzellent zusammenpassen, liegt daran, dass beide Musik für Fans krasser Klänge machen, die sich nicht durch Genrebegriffe limitieren lassen. Wohl deswegen funktioniert heute neben den beiden Extreme-Metal-Acts auch der Support-Act THE DEVIL’S TRADE so ruhig. Während CELESTE einmal mehr keine Fragen offen lassen, bleibt bei DER WEG EINER FREIHEIT zumindest der leise Zweifel, ob die auf den ersten Blick absurd erscheinende „Tour zum Live-Album“ nicht doch nicht nur die ehrlichere, sondern auch die bessere Entscheidung gewesen wäre.

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