Konzertbericht: Thrashfest Tour (Kreator w/ Exodus, Death Angel, Support)

11.12.2010 München, Backstage Werk

Nachdem die letzte KREATOR-Hallentour mit den (nach welchen Kriterien auch immer gecasteten) Vorbands Caliban und Eluveitie für mich nicht sonderlich attraktiv war, ist das, was heute auf dem Programm steht, für den Thrash-Fan ein Pflichttermin: Gleich drei Szeneurgesteine lassen das Thrasher-Herz höherschlagen, dazu mit den SUICIDAL ANGELS noch einer der vielversprechendsten Newcomer der Szene – mehr geht wohl wirklich nicht.
Der Meinung ist offensichtlich auch das Münchner Publikum, das sich trotz der durchaus verlockenden „Gegenveranstaltung“ von Motörhead/Doro im Zenith in überraschend großer Zahl für das Backstage und damit die definitiv härtere Variante entschieden hat: Wenn auch im Vorverkauf nicht ausverkauft, wird der Sould Out doch an der Abendkasse noch erreicht, so dass die Halle doch bereits um halb Sieben gesteckt voll ist und die Schlangen an den Bierständen und der Garderobe nahezu endlos…
Veranstaltet von Rock The Nation, welche die „…fest-Tour“ mit mindestens vier Bands eines Genres ja quasi begründet haben, verspricht der Abend zudem gut organisiert zu sein. Denn kann man gegen derartige Großtouren sagen, was man will: Die Organisation ist stets straff und wird auch knallhart in die Tat umgesetzt.

So wundert es auch wenig, dass die Konzerte exakt nach der bereits im Vorhinein im Internet veröffentlichten Running Order verlaufen – bedenkt man, dass bei einem „normalen“ Konzert meist schon der Einlass verzögert wird, eine beachtliche und insofern erwähnenswerte Leistung.

Punkt 19:00 betreten also SUICIDAL ANGELS die Bühne, um dem Publikum mit ihrem Oldschool-Thrash Metal einzuheizen.
Auch, wenn die Griechen mittlerweile „nurnoch“ bei Noiseart Records unter Vertrag stehen, hat ihnen ihr Ein-Album-Deal mit Nuclearblast doch einiges an Bekanntheit eingebracht – und das vollkommen zurecht, beweist das aktuelle Album doch, welches Potential in der Band steckt.Doch dass gute Alben veröffentlichen und das Material auf der Bühne gut rüberbringen zwei unterschiedliche Paar Schuhe sind, wird einem ja nur all zu oft eindrucksvoll bewiesen. Nicht so jedoch hier: Von einem perfektem Bühnensound durch die Show getragen präsentieren sich SUICIDAL ANGELS in Topform.
Sicherlich, wer unbedingt meckern will, kann der Band natürlich mangelnde Eigenständigkeit vorwerfen, hört man doch Einflüsse wie alte Slayer bisweilen all zu deutlich durch… und auch der geistige Anspruch, den Texte wie „Bleeding Holocaust“ oder „Bloodthirsty“ an den Hörer stellen, erinnert stark an die Anfangstage des Thrash Metal… doch das genau ist ja auch die Intention der Griechen. Dem Publikum gefällts jedenfalls und zollt der Band für ihre hochmotivierte, energiegeladene Show Respekt: Moshpits, Hey-Sprechchöre und kräftiger Beifall bezeugen die Begeisterung für die Band im speziellen, wohl aber auch die Vorfreude auf einen Abend voller heimlicher Headliner im allgemeinen.
Derart abgefeiert verlassen die Athener sichtlich zufrieden nach 35 Minuten die Bühne – und das vollkommen zurecht. Ein mehr als gelungener Einstieg!

Nach genau 15 Minuten Umbau ist es um 19:50 Zeit für DEATH ANGEL – der Shirtzahl im Publikum nach zu urteilen für viele ein, wenn nicht das Highlight des Abends. Die Erwartungen sind groß, hatten DEATH ANGEL doch bei ihrem letzten Gastspiel in München alle anderen Bands des Abends, allen voran den damaligen Headliner Kataklysm, in Grund und Boden gespielt – ein Erlebnis, das offenbar nicht nur den Besuchern, sondern auch der Band als „beeindruckend“ im Gedächtnis geblieben ist, wie Sänger Mark Osegueds im Laufe des Abends dankbar bemerkt.
Doch schon als DEATH ANGEL ihren Gig mit „Truce“ beginnen, ist klar: Der Siegeszug beim letzten Mal war kein zufälliges oder gar singuläres Event:
Von der ersten Minute an hat die Truppe aus San Francisco das Publikum unter Kontrolle, das sich von der Spielfreude und Tightness des Fünfers mitreißen lässt. Hier sitzt jeder Ton, präzise wie ein Uhrwerk thrasht sich die Combo durch ihr Set, dessen Hauptaugenmerk natürlich auf dem Material des aktuellen Langspielers, „Relentless Retribution“ liegt.
Dass der Sound auch hier nahezu perfekt ausbalanciert aus den Boxen schallt, ist natürlich eine gute Grundlage – doch die entscheidenden Punkte holen sich DEATH ANGEL durch ihr Stage-Acting: Lead-Gitarren-Virtuose Ted Aguilar präsentiert sich als Poser vor dem Herren, der sich für jeden Photographen extra in Szene zu setzen weiß, Fronter Osegueds agiert so quirlig, wie er klein ist und auch der Rest der Truppe ist stets in Bewegung.
50 Minuten Spielzeit, 50 Minuten volle Kontrolle über Bühne und Publikum. Fazit: DEATH ANGEL stellen in München erneut mit ihrem Auftritt unter Beweis, dass sie eine der sehenswertesten Thrash Metal Bands dieses Planeten sind. Hut ab vor dieser Leistung.

Nach dem Siegeszug von Death Angel stehen EXODUS vor keiner leichten Aufgabe, um nicht am Ende wie zuletzt Kataklysm vollkommen unterzugehen. Doch wer EXODUS kennt und bereits live gesehen hat, weiß, dass sich die Männer um Rampensau Rob Dukes so schnell nicht einschüchtern lassen. Entsprechend selbstsicher entert die wohl extremste Formation des Abends um 21:00 die Bühne, um diese eine volle Stunde zu beackern. „Beackern“ ist dabei durchaus eine treffende Vokabel, um zu beschreiben, wie Dukes die Bühne durchpflügt und ohne Rücksicht rastlos von einer Seite zur Anderen…nunja: ackert. Auch seine Kollegen an den Gitarren, Holt und Altus, glänzen mit großer Bühnenpräsenz… lediglich „Mr. Hangover himself“, wie ihn Dukes vorstellt, Jack Gibson am Bass, kommt über ein gequältes Lächeln nicht hinaus. Auch eine Tour ist eben kein Zuckerschlecken…
Dass dabei kein Stein auf dem anderen bleibt, ist angesichts der Tatsache, dass während der Show die horizontale Trägerstange eines der großen Seitebanner von Kreator aus ihrer Halterung rutscht und krachend einen Meter nach unten fällt, nichteinmal nur metaphorisch gemeint… doch auch musikalisch voll und ganz zutreffend: Mit dem brutalsten aus 21 Jahren Bandgeschichte legen EXODUS alles in Schutt und Asche und schaffen es gar, dem Publikum noch einen Zacken mehr Energie zu entlocken als zuvor Death Angel: Circlepits, mehrfach die Wall Of Death und diverse Crowdsurfer zeigen deutlich, dass es im Publikum nun kein Halten mehr gibt – spätestens als ds ausverkaufte Backstage seine Blutsbrüderschaft mit „Bonded By Blood“ feiert, scheint der absolute Höhepunkt des Abends erreicht zu sein.
War vorher noch meine Befürchtung, EXODUS könnten nicht mit Death Angel mithalten, muss man jetzt um Kreator bangen – konnten EXODUS mit ihrem Auftritt doch den Kelch des Stimmungseinbruchs an sich vorübergehen lassen.

Nach einem circa fünfminütigen Intro, bestehend aus einem auf dem über die komplette Bühnenbreite aufgespannten Leinwand-Backdrop dargebotenen Video mit kaum erkennbaren Sequenzen, die wohl einem alten Road-Movie entnommen sind, eröffnen die Herren mit „Violent Revolution“ den letzten Akt des heutigen Abends.
Dass KREATOR einen gesteigerten Sinn für Bühnenästhetik haben, dürfte bereits erfahren haben, wer schon einmal in den Genuss einer Liveshow der Essener gekommen ist: Ein Drumpodest mit über Treppen begehbaren Seitenflügeln, den Nebenbühnenbereich verdeckende Seitenbanner, irgendwo dahinter verborgene alle Technik… vom Bühnenaufbau fühlt man sich eher an eine Theaterbühne erinnert, denn an eine Konzert-Stage. Eine Menge Platz also für die Musiker – Platz, den die drei Herren an den Saiteninstrumenten allein durch ihr Auftreten zu füllen nicht in der Lage sind: So stehen Mille, Sami und Speesy ziemlich verloren in der großen Weite der Bühne, ohne mit dem Raum so recht etwas anzufangen zu wissen scheinen: Dass Mille als Sänger mit Gitarre an den Mikrophonständer gefesselt ist, spielt dabei sicher auch eine Rolle… entschuldigt jedoch nicht, dass er an diesem Hängt wie Jesus am Karfreitag: Ausser einigen Positionswechseln von Bassist Speesy und Gitarrist Sami und dem abwechselnden Patrouillegang auf die begehbaren Flügel des Schlagzeugpodests beläuft sich die Bühnenaktivität des Quartetts auf Null, und mit ihr die Power der Darbietung: Der auf Platte extrem aggressive, energiegeladene Hit „Violent Revolution“ zieht sich fast, und auch das folgende „Hordes Of Chaos“ kann nur einen Bruchteil der Energie locker machen, den das Stück auf dem aktuellen Album entfaltet.
Ein Tour-Kater epischen Ausmaßes wäre die einzige halbwegs annehmbare Entschuldigung für derartig lasches Auftreten – jedoch für eine Band, die sich rühmt, bereits 25 Jahre im Geschäft zu sein, nicht unbedingt ein Aushängeschild professionellen Arbeitens.Dass das so nicht weitergehen kann, scheinen auch KREATOR zu merken, und reißen sich im Folgenden etwas zusammen, so dass die Darbietung von Track zu Track an Intensität gewinnt: Das folgende „Phobia“ kommt nun schon recht überzeugend daher, Tendenz steigend. Dass das Energielevel der vorangegangenen Shows dennoch nicht ansatzweise gehalten werden kann, ist klar – zumindest jedoch hinsichtlich der musikalischen Darbietung sind KREATOR auch heute über jeden Zweifel erhaben: Messerscharf und perfekt wie vom Band feuern sie ihre Hits ins Publikum und bieten hinsichtlich der Setlist einen schönen Überblick über ihre Diskographie, mit Schwerpunkt auf den letzten beiden sowie den Frühwerken.
Als vollkommen überflüssigen Schnickschnack offenbart sich ein weiteres Mal die Videoleinwand: Denn egal, ob das abgefilmte Publikum, das „Conan, der Barbar“-Video zu „Hordes Of Chaos“ oder irgendwelches altes Videomaterial aus KREATORs Sentimentalitäten-True – zu erkennen ist sowieso nichts, von einem positiven Effekt auf die Atmosphäre der Show ganz zu schweigen.
Letzterer geht auch Milles Ansagen gänzlich ab: Egal, ob es die Ankündigung für ein neues Album, das 2011 geschrieben und 2012 veröffentlicht werden soll, ist, über die man sich zwei Jahre im vorraus doch eher mäßig freut, oder die eher anbiedernde, denn sympathische Art, mit der Mille über seine Band von „euerer Lieblingsband aus Essen“ spricht – so richtig will der Funke zumindest bei mir nicht überspringen. Damit scheine ich mich jedoch eindeutig in der Minderheit zu befinden, bekennt sich der Rest des Publikums doch lauthals dazu bereit, sich gegenseitig zu töten („Pleasure To Kill“) und macht auch beim Welches-Publikum-der-Tour-schreit-am-lautesten-„Its Time To Raise The Flag Of Hate“-Spiel eifrig mit. Dass Mille sich nicht nehmen lässt, diese dann auch in real zu schwenken, mag dem ein oder anderen vielleicht etwas blöde vorkommen, sorgt ansonsten aber für Begeisterung. Nunja…
Zumindest hinsichtlich der Spielzeit gibt es auch hier nichts zu meckern, liefern, KREATOR doch volle 80 Minuten ab…und das, wo man während der ersten Stücke noch das Gefühl hatte, sie würden noch während der ersten Viertelstunde einschlafen.

Beim Thema Spielzeiten muss man Rock The Nations sowieso erneut ein Kompliment machen: Nach dem Opener mit 35 Minuten durfte mit DEATH ANGEL bereits die zweite Band des Abends satte 50 Minuten auf die Bretter, gefolgt von den 60 und 80 Minuten-Slots für EXODUS und KREATOR. Gerade in Anbetracht der Tatsache, dass sich die drei Hauptbands hinsichtlich ihrer Größe und der Anzahl der wegen ihnen gekommenen Fans wohl nur unwesentlich zu unterscheiden dürften, eine wirklich faire Entscheidung, kommt so doch jeder Besucher in den Genuss einer vollen Show „seiner“ Helden. Der Rahmen für dieses Thrash Metal-Events der Extraklasse war also nahezu perfekt – und auch, was die Bands daraus gemacht haben, kann sich sehen lassen:
Eine überzeugende Präsentation der Aufsteiger SUICIDAL ANGELS, ein mitreißender Auftritt von DEATH ANGEL, buchstäblich „A Lession In Violence“ von der Shovel Headed Kill Machine EXODUS und ein, vielleicht nicht hinsichtlich der Show, aber zumindest musikalisch souveränder Auftritt der deutschen Thrash-Legende KREATOR dürften wohl jedem Thrash Metal-Fan als beeindruckendes Package in Erinnerung bleiben. Wirklich großes Kino und ein klares Ja zu Touren wie dieser – macht ein reiner Thrash Abend eben doch mehr Spass als ein unpassender Genre-Mix…

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Fotos von: Moritz Grütz

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