Interview mit Piotr "Peter" Wiwczarek von Vader

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Nach zuletzt vier Alben in vier Jahren haben sich VADER mit „Solitude In Madness“ wieder etwas mehr Zeit gelassen. Im Interviews sprechen wir mit Piotr „Peter“ Wiwczarek über ebendieses Album, die Kontinuität im Line-up von VADER und einen Jubiliar in der Diskografie: „Litany“ ist dieses Jahr 20 geworden!

Hallo Peter, alles gut bei dir?
Alles gut hier, danke. Nur ein wenig mit der Promotion des neuen Albums beschäftigt und mit Dingen, für die ich nie genug Zeit hatte. Zum Beispiel das sogenannte „normale Leben“. (lacht)

Lass uns mit einem Jubiläum beginnen: „Litany“ ist gerade 20 Jahre alt geworden. Was verbindest du mit dem Album, wenn du daran denkst?
„Litany“ war unser extremstes Album, glaube ich. Zumindest war es das in der früheren Ära von VADER. Dieses Album wurde Ende des 20. Jahrhunderts veröffentlicht und beendete diesen “ Geschwindigkeitsrausch“ in unserer Diskographie. Das darauffolgende Album [„Revelations“, 2002 – A. d. Red.] brachte eine große Veränderung für VADER. Was „Litany“ angeht, war eigentlich gar nicht geplant, dass es so schnell und brutal wird.

Es waren die Atmosphäre im Studio und Docs [Krzysztof Raczkowski, † 2005] Drumming, die es zu so einem intensiven Album werden ließen. Alle Songs verkürzten sich im Studio so sehr, dass wir sogar noch einen alten Song aufnehmen mussten, um insgesamt auf mindestens 30 Minuten zu kommen. Und wir sind am Ende immer noch darunter geblieben. Doc war bei dieser Aufnahmesession wie ein Sturm. Zusätzlich greift der Sound die Ohren extrem an: Der Gesang wurde zu sehr im Hintergrund gemischt und die Kick-Drums dominieren die ganze Platte. Aber das gab der Musik, die für sich genommen schon brutal genug war, sehr viel Punch. Ich mochte das nicht, aber die Fans mochten es dafür umso mehr. (lacht) Whrend der „Thy Messenger“-Session haben wir den Titeltrack neu aufgenommen, damit man endlich mal hören kann, wie der Sound eigentlich klingen sollte. Wir haben das auch gemacht, weil dieser Song in die neue VADER-Setlist aufgenommen werden sollte. „Litany“ wurde noch nie live gespielt, und dieses Lied ist in Wirklichkeit so brutal!

Wann hast du gemerkt, dass das Album ein großer Erfolg und eine Art Meilenstein war?
Keine Band weiß das, bevor man die Reaktionen auf das Album erhält. „Litany“ war unsere erste Aufnahme für ein neues Plattenlabel, bei dem wir gerade einen Vertrag unterschrieben haben: Metal Blade. Wir hatten am Ende der Aufnahmesession in Danzig sogar ein paar der Leute aus dem deutschen Metal-Blade-Office zu Besuch. Wir gaben einige Interviews und Listening Sessions mit dem noch ziemlich rohen Material und feierten später eine nette Party im „Witches Hill“ in Sopot. Die deutsche Abteilung von Metal Blade war die einzige, die uns während der Zeit unserer Zusammenarbeit unterstüzt hat. Die US-Division hat uns nie wirklich eine Chance gegeben, selbst nach den tollen Shows in vollen Clubs in LA, die sie gesehen haben. Mit „Litany“ und der bald darauf folgenden EP „Reign Forever World“ haben wir in den nächsten zweieinhalb Jahren ein paar hundert Shows gespielt. Der Beginn des neuen Jahrtausends war sehr intensiv und wirklich erfolgreich für VADER. Aber es war auch nicht alles nur gut: Die ernsthaften Probleme mit Doc und seiner Drogenabhängigkeit begannen die Band langsam von innen heraus zu zerstören und das nächste Album war dann auch das letzte, das wir mit Doc am Schlagzeug aufgenommen haben.

Was denkst du heute über das Cover – was genau sehen wir hier?
Du siehst, was du sehen willst – und das ist die Antwort. (lacht) Das Artwork wurde von Jacek Wiśniewski geschaffen, und ist eine Kombination aus Malerei, Fotosession und Computerarbeit. Mir persönlich gefällt es sehr gut. Es zeigt einige dämonische und menschliche Aspekte in einem. Die wahre Natur der so genannten Magie.

Wenn du etwas an dem Album ändern könntest, was wäre das aus heutiger Sicht?
Es gibt keinen Grund, irgendetwas zu ändern, da „Litany“ so vielen Fans wirklich gefallen hat, weil es genau so klingt, wie es klingt. Wie ich bereits erwähnt habe, haben wir den Titelsong letztes Jahr im Hertz-Studio neu aufgenommen, um ein Bild davon zu vermitteln, wie dieses Album klingen könnte, wenn es heute aufgenommen würde. Nur als Beispiel.

Gab es jemals die Überlegung, das Album neu aufzunehmen oder zu überarbeiten, wie ihr es kürzlich mit eurem Debüt „The Ultimate Incantation“ getan haben?
Nicht das ganze Album. Wir haben ja die drei wichtigsten Songs von „Litany“ für das vor zwölf Jahren veröffentlichte Jubiläumsalbum „XXV“ neu aufgenommen und dann – wie eben erwähnt – eben nochmal den Titelsong für die „Thy Messenger“-EP.
Die Situation bei der Neuaufnahme unseres Debüts „The Ultimate Incantation“ als „Dark Age“ war völlig anders: Wir hatten keine Chance, dieses Album in seiner ursprünglichen Form als offiziell lizensiert neu aufzulegen. Earache Records besitzt alle Rechte an diesem Werk und wollte uns die Erlaubnis dazu nicht geben, ja, nicht einmal verkaufen. Die einzige Möglichkeit, um zum 25. Jubiläum an das VADER-Debüt zu erinnern, war also, es noch einmal neu aufzunehmen. Mit „Litany“ gäbe es kein solches Problem, aber wir wollen das einfach nicht machen.

Gibt es einen Song auf dem Album, der dir immer noch besonders gut gefällt?
„Wings“, „Cold Demons“ und nun eben auch „Litany“ sind wirklich schön, um live sie live zu spielen … so voller Energie! Aber alle anderen sind nicht viel „softer“. (lacht)

Spezialshows, bei denen Bands zum Jubiläum ganze Alben spielen, sind ein Trend in der Metal-Szene. Was halten Sie davon? Wird es spezielle „Litany“-Shows geben?
Ich mag das Konzept sehr, seit ich „British Steel“ und „Reign in Blood“ in dieser Form live erlebt habe. Wir selbst haben das auch schon mit „De Profundis“, „Black To The Blind“ und kürzlich mit unserem Debütalbum gemacht. Auch für „Litany“ haben wir das in Betracht gezogen und vielleicht werden wir es sogar in naher Zukunft noch umsetzen. Im Moment wollen wir uns aber auf das neue Album konzentrieren und nur einige Songs von „Litany“ und „De Profundis“ in die Setlist aufnehmen. Beide Alben haben in diesem Jahr ein Jubiläum, das werden wir sicher nicht unter den Tisch fallen lassen. Wir hatten geplant, bei einigen großen Festivals in diesem Jahr das gesamte „De Profundis“-Album auf die Setlist zu setzen. Aber wegen der Pandemie wurde ja alles auf 2021 verschoben.

Das Cover von "Solitude In Madness" von VaderLass uns noch über euer neues Album „Solitude In Madness“ sprechen. Was drückt der Titel für dich aus, warum war er perfekt für dieses Album?
Ich habe ihn gewählt, weil er mir gefällt. Es passt zu vielen verschiedenen Situationen, glaube ich. Er passt auch zu meinen Gefühlen und Gedanken in der Zeit während der Aufnahmen. Aber die Interpretation obliegt dem Hörer, wie bei allem anderen auf „Solitude In Madness“.
Der Titel ist eine Zeile aus „Bones“, dem letzten Titel des Albums, und ich habe ihn am Ende der Aufnahmesession in Grindstone als Titel gewählt. Das war noch lange bevor dieser Virus die Welt befiel. „Madness and Isolation“, der Wahnsinn und die Isolation, die darauf folgten, haben damit also nichts zu tun. Die Situation passt  also eher zum Titel, nicht umgekehrt. Es ist wie ein Horoskop, verstehst du?

Die Besetzung von VADER ist jetzt seit einigen Alben stabil – früher war es anders. Welche Auswirkungen hat das auf die Band und die Art und Weise, wie Alben gemacht werden?
Es ist viel einfacher, mit diesen Jungs zu arbeiten. Im Jahr 2021 werden es zehn Jahre sein, und es ist bereits jetzt die stabilste Besetzung in der Geschichte von VADER. Ich bin stolz darauf, denn es ist nicht so einfach, so lange gute Musiker, Fans und Freunde in einer so hart arbeitenden Band zu halten. Wir sind unterschiedlich in unseren Charakteren und im Alter, aber zusammen auf der Bühne sind wir eine perfekte Tötungsmaschine. Und darum geht es!

Das Album ist nicht einmal eine halbe Stunde lang – und damit noch kürzer als „The Emprire“. Was ist für dich die perfekte Albumlänge im Death Metal?
30 Minuten von dieser Intensität sind ausreichend. Das sage ich als Fan dieser brutalen Musik, nicht nur als Musiker. Und wenn einem die halbe Stunde nicht reicht kann man es ja einfach nochmal abspielen … und nochmal. (lacht)

Das Cover sieht ziemlich oldschoolig aus – was siehst du in dem Bild?
Und was willst du sehen? Was erzählt dir deine Vorstellungskraft? Das ist die Antwort. Wes Benscoter hat ein großartiges Kunstwerk geschaffen – wieder einmal! Es passt perfekt zum Rest des Albums. Und es ist oldschool, da hast du Recht.

Die Corona-Krise macht Touren unmöglich. Wie sehr trifft dich das als Musiker, wie gehst du mit der Situation um?
Das Leben der Menschen auf dem Planeten hat sich drastisch verlangsamt, seit diese Pandemie unsere Welt heimgesucht hat.  Wir müssen alle mit dieser Situation fertig werden und alles hängt davon ab, wie wir dabei zusammenhalten. Das ist ein perfekter Test für die Menschheit: Kümmern wir uns wirklich alle darum? Haben wir alle die notwendige Disziplin und befolgen die Regeln der Isolation? Ich persönlich versuche, die Situation so gut es geht zu nutzen: Ich bleibe zu Hause bei meiner Familie und tue Dinge, für die ich nie genug Zeit hatte. Soweit ich mich zurückerinnere, war ich immer ein vielbeschäftigter Mensch. Wir alle in der Band versuchen, damit fertig zu werden, indem wir einige andere Arbeiten machen. Aber wir leben vor allem von Shows. Je früher wir also wieder auf Tournee gehen, desto besser ist es natürlich.

Gibt es derzeit wieder Pläne für eine Tournee – und für wann wäre die angesetzt?
Wir planen, im September eine Tournee zum neuen Album zu starten. Das jetzt voranzutreiben ist ganz normal, auch wenn niemand sicher sein kann, wie die reale Situation bis dahin aussehen wird. Wir werden mit einer Vorpremiere in Olsztyn – der Gründungsstadt von VADER – beginnen. Dann geht es nach Berlin, wo der erste Abschnitt der Europatournee beginnt. Es werden 15 Termine sein – vier davon in Deutschland – und es ist die Fortsetzung der Tournee im März 2020 , die durch die Pandemie gestoppt wurde. Wir werden nur die Setlist mit Songs vom neuen Album aktualisieren.

Vielen Dank für das Interview! Zum Abschluss ein kurzes Brainstorming:
Donald Trump:
Ich interessiere mich nicht für Politik, vor allem nicht, wenn es um einen anderen Teil der Welt geht.
Dein aktuelles Lieblingsalbum: Im Moment „British Steel“ und „Live In The East“ – beide von Judas Priest.
Slayer – für immer aufgelöst?  Das war eine wirklich schmerzhafte Info für mich. Ich glaube aber, dass sie in Zukunft noch einige Shows spielen werden.
Nuclear Blast:
Die beste Plattenfirma der Welt!
Pandemie: Eine globale Situation, mit der wir alle fertig werden müssen. Unerwartet, wenn nicht sogar schockierend für unsere Generationen. Aber wir können diese Phase brauchen, in der sich unser Leben mal verlangsamt und wir Zeit für all die wichtigen Dinge haben, für die wir nie Zeit hatten.
VADER in zehn Jahren: (lacht) Schwer zu sagen. Wird die Welt dann noch existieren?

Nochmal danke für deine Zeit und Antworten. Die letzten Worte gehören dir:
Danke für das Gespräch und die Unterstützung! Wir laden gerade unsere Batterien auf und sind bereit für eine Tournee, sobald das Virus unter Kontrolle ist!

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Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
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