Rammstein × Balenciaga: Die wollen nur in Mode kommen

RAMMSTEIN ist – zumindest im Deutschen – ein Synonym für „Provokation“. Ob nun ein Dildoset als Merchandise-Gimmick oder ein KZ als Honeypot im Teaser zu einem (am Ende gar nicht so schlimmen) Musikvideo: Die Berliner wissen, wie und wo sie die Nadeln zu setzen haben, damit sich genug Leute angestochen fühlen und RAMMSTEIN ihre Aufmerksamkeit bekommen.

Ihr neuester Schachzug – denn anders kann man es kaum bezeichnen: Ein für die Metal-Szene skandalöser Deal mit der Luxus-Modemarke Balenciaga. Die Kollaboration umfasst eine von RAMMSTEIN (so heißt es jedenfalls) für Balenciaga-Boss Demna Gvasalia „kuratierte“ Playlist auf Apple Music sowie eine Mini-Kollektion mit Merchandise-Artikeln. Über die Sozialen Medien promotet, entwickelt sich die Aktion innerhalb von Stunden zu einem heißen Thema. Diskutiert im Boulevard („Diese Designer-Modestücke gibt es jetzt von der Kultband“ – vip.de), unter Metal-Fans („Spinnen die?“ – ich) und in einschlägigen Modemagazinen wie der französischen Vogue. Das Internet ist voll mit RAMMSTEIN, einmal mehr.

Der Grund für das Aufsehen (und das Interesse der Vogue) ist natürlich nicht besagte 28 Songs umfassende Playlist, die Auftakt zu einer mäßig kreativen, dafür gewaltig selbstverliebten Serie („Balenciaga x Apple Music playlists“) sein soll, in der Gvasalia seine Lieblingsbands einlädt, Musik nach ihrem Geschmack zusammenzustellen. Der Aufhänger sind vielmehr die Preise des Merchandise: Bei 350 € für ein Cappy im Used-Look mit RAMMSTEIN-Logo geht es los, für das Shirt mit einseitigem Druck werden 495 € fällig, der Hoodie schlägt mit 795 € zu Buche und für eine Regenjacke werden stolze 1790 € fällig. Dass das auf manche der Artikel gedruckte RAMMSTEIN-Bild vom so bekannten wie umstrittenen Hyperrealisten Gottfried Helnwein stammt und die Produkte in Italien gefertigt werden, rechtfertigt die Preise dennoch höchstens in der Welt der Mode.

Einseitig bedrucktes Merch für dreistellige Preise; Screenshot von https://www.balenciaga.com

Aber darum geht es am Ende wohl weder Balenciaga noch RAMMSTEIN – wichtig ist, dass die Preise astronomisch sind, dass die Artikel (wohl dank verschwindend geringer Stückzahlen) schnell ausverkauft sind und dass all gängigen Mechanismen greifen: Der Aufschrei, das Kopfschütteln, der Shitstorm, die Medienpräsenz. Schließlich verdichten sich zugleich die Hinweise auf ein bald erscheinendes neues Album. Da muss man sich schon mal in Stellung bringen.

Wie taktvoll die Aktion zum aktuellen Zeitpunkt ist, steht auf einem anderen Blatt. Schon unter normalen Bedingungen wird kaum ein RAMMSTEIN-Fan ernstlich in Erwägung ziehen, eine Plastikregenjacke aus 100 % Polyester („technisches Gewebe im Crinkle-Look“) für 1795 € zu erwerben. In der Pandemie, mit Kurzarbeit, Jobverlust und Zukunftsangst wirken diese Zahlen hingegen fast obszön. Aber eben nicht das gute obszön, nicht das, das Fans von Liedtexter Till Lindemann lieben. Sondern eines, das RAMMSTEIN wie „die da oben“ wirken lässt. Und das ist oft verdammt weit weg von der Lebenswirklichkeit ihrer Fans. Und eigentlich auch vom Image der als verhältnismäßig bescheiden bekannten Band. Da hilft es auch nichts, wenn für die Kampagne von Patrick Welde echte Fans im Edel-Stoff abgelichtet wurden.

Rammstein x Balenciaga

Photos: Gottfried Helnwein

Gepostet von Rammstein am Mittwoch, 14. April 2021

 

So bleibt RAMMSTEIN am Ende nur zu wünschen, dass die ganze Aktion tatsächlich nur ein eher mäßig überzeugender PR-Gag im Vorfeld eines Albums war. Und dass dieses dann besser wird. Als der Gag – und als das letzte.

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